Wagner überleben, oder: Warum Walküren ins Gras beißen
“Es (= die Oper) ist erst vorbei,
wenn die dicke Frau gesungen hat”, sagt man im angelsächsichen
Raum und meint damit so viel wie “Da kommt noch was nach”, oder
“Freu Dich nicht zu früh!”
Irgendwo las ich das ganze einmal in
einer “überarbeiteten” Version. Sie lautete: “Die Oper ist
erst vorbei, wenn die dicke Frau tot ist”. Ich nehme an, der
Verfasser dieses Spruches hat eine Menge Wagner-Opern gesehen. Gut,
die Damen mögen nicht alle dick sein, aber am Ende sind sie trotzdem
tot, was uns zum 2. Punkt der erweiterten Fassung bringt: “Wenn die
dicke Frau am Ende nicht stirbt, sondern heiratet, handelt es sich um
eine Operette. “ Soweit, so gut. Ich stelle mal schnell noch eine
dritte, diesmal eigene, These zu der ganzen Sache auf und behaupte:
Wenn die dicke Frau eigentlich eine sehr dünne und junge Frau ist,
aber trotzdem ins Gras beißt, sitzen Sie vermutlich in einem
Musical.
All diese toten Frauen beschäftigen
mich nun schon eine ganze Weile lang. Was für ein seltsames Trauma
schleppte Richard Wagner eigentlich (neben den bereits bekannten )
noch mit sich herum, dass er am Ende seiner Opern allen möglichen
Leuten die Erlösung zukommen ließ, die Frauen aber eine nach der
anderen unter die Erde brachte? Nehmen wir doch mal den fliegenden
Holländer zum Beispiel: Der wird erst dadurch gerettet, dass sie
sich für ihn das Leben nimmt. Jetzt muss er nicht mehr ewig
herumsegeln, hat dafür aber auf immer das Bild vor Augen, wie sich
seine Senta von der Klippe wirft. Auch nicht viel besser. Kundry im
Parsifal wird sogar selbst erlöst und getauft, woraufhin sie
augenblicklich den Löffel abgibt.
Dass Isolde die ganze Tristangeschichte
nicht überstehen wird, war vermutlich schon in dem Augenblick klar,
als Brangäne anfängt, mit Drogen herumzuexperimentieren und
Tristan und Isolde als Versuchskaninchen missbraucht. Als Elsa ihrem
Lohengrin im Brautgemach die Frage stellt, die eine Frau niemals dem
Mann stellen sollte, mit dem sie gerade in den Laken wühlt (“Sag
mal, wie heißt Du eigentlich?”), ist ihr Schicksal besiegelt.
Natürlich ist sie nicht die Einzige, die am Ende der Oper über die
Regenbogenbrücke geht, es gibt ja mit Ortrud auch noch eine zweite
Frauengestalt in der Oper, und so bricht zunächst Ortrud zusammen,
dann folgt ihr Elsa, wobei vermutlich kein Pathologe mit Sicherheit
sagen könnte, was ihr denn eigentlich gefehlt haben mag. Allerdings
haben Opernpathologen wahrscheinlich ohnehin ein eigenes Vokabular
für derartige Todesursachen. Wer sich hier den Terminus “finaler
Schockzustand” registrieren lässt, erspart sich bei Kundry im
Parzifal das Erfinden eines neuen Begriffes.
Werfen wir mal einen Blick auf Wagners
Frauengestalten im wahren Leben. Wagners erster Ehefrau Minna gingen
der Höhenflug und das mangelnde Verantwortungsbewusstsein ihres
Gatten wohl gründlich auf die Nerven. Er selbst war enttäuscht von
ihrer fehlenden Bereitschaft, ihn anzuhimmeln und in jeder Lebenslage
zu unterstützen. Ich denke, die Anekdote, dass Minna ihrem Papagei
beigebracht haben soll, “Wagner ist ein böser Mann” zu sagen,
spricht nicht unbedingt für ein glückliches Eheleben. Und wer sich
fragt, weshalb in keiner Wagner-Oper am Ende auch noch ein Papagei
sein Leben lassen muss, der sei auf Parzifals erste Handlung
verwiesen: Den heiligen Lieblingsschwan seiner Gastgeber abzuknallen
und dann auch noch damit anzugeben.
Dame Nummer 2 fand er vielleicht
deshalb so faszinierend, weil er sie nicht haben konnte (Mathilde
Wesendonck (denkt außer mir eigentlich noch jemand jedes Mal an
Fräulein Müller-Wachtendonck, wenn er den Namen hört? :) )), und
um seine 2. Ehefrau Cosima Wagner, ehemalige von Bülow, geborene de
Flavingy tatsächlich heiraten zu können, hatte er sich gewaltig ins
Zeug legen müssen und es sich mit ein paar Menschen in seinem Umfeld
ganz gehörig verscherzt. Dafür war diese dann auch fast ein
Vierteljahrhundert Jahre jünger und entsprechend verblendet von
ihrem Richard. Immerhin hatte sie in ihm eine Aufgabe gefunden in die
sie ihre nicht unbedeutende Kreativität und Schaffenskraft stecken
konnte.Was hätte sie auch sonst tun sollen. Nachhause zu Papa Franz
Liszt konnte sie jedenfalls icht mehr. Der war nämlich zunächst
einmal gründlich sauer auf seinen ehemaligen Sonnenschein.
Mehr zu den Bühnenleichen, die die
Wege der Oper pflastern, in Kürze. Für eine Mottowoche scheint mir
das Thema zwar etwas zu düster, aber der eine oder andere Todesfall
von Zeit zu Zeit, kann so einem Blog ja sicher nicht schaden.
Konzert in der Auferstehungskirche/Plauen: Haydns 104, (Für alle, denen Zahlen so wenig sagen, wie mir: Es ist die "mit dem Dudelsack") und Reinbergers "Stern von Bethlehem". Sehr schönes Stück.
Wenn man nicht mehr weiß, ob man es mit dem Fröken, oder mit Schlumpfine zu tun hat, ist es vermutlich ziemlich kalt draußen.
Und ich hab neue Schuhe. Ich liebe diesen "Papa war Easy-Rider, Mama war Mary-Poppins"-Stil :)
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