Die Musik ist vorerst gestorben
Und das ist sie nicht nur einmal in der
Geschichte. Mal abgesehen von diversen Versuchen, die Musik während
der Karwoche aus dem öffentlichen Leben zu verbannen (der liebe Herr
Händel ud seine italienischen Kollegen konnten seinerzeit … fast
hätte ich geschrieben “ein Lied davon singen”, aber das konnten
sie ja gerade nicht. Das war ja verboten. Die Opernhäuser blieben
geschlossen), gab es auch Trauertage, an denen man das Singen, Tanzen
und Musizieren tunlichst zu unterlassen hatte.
Die Sächsische Landestrauer war so ein
Zeitpunkt. Beziehungsweise Zeitraum. Sie dauerte nämlich vom Tod des
Landesherrn (gut, genaugenommen war das bereits am 1. Februar 1733,
die Landestrauer begann jedoch erst am 15.) bis in den Sommer hinein.
Am 2. Juli endete die Trauerperiode, und genau so lange durfte keine
Musik aufgeführt werden. Es herrschte also sozusagen Stille im
Reich.
Dass unser guter August überhaupt
Kurfürst von Sachsen werden durfte, verdankt er schon einem ziemlich
dummen Zufall. Er war nämlich eigentlich nur der zweitgeborene Sohn
Johann Georgs III von Sachsen und somit zunächst nicht für den
Thron gedacht gewesen. Diesen sollte sein älterer Bruder Johann
Georg IV besteigen, was dieser im Jahr 1691 auch tat, welchen er
jedoch bereits drei Jahre später im Alter von nur 26 Jahren seinem
kleinen Bruder überlassen musste. Ziemlich unfreiwilligerweise
sogar. Er wurde nämlich auf äußerst unschöne Weise ins Jenseits
befördert, wobei es bis heute nicht ganz geklärt ist, ob es sich
dabei um die Pocken oder eine Vergiftung gehandelt hat. Wie dem auch
sei, toll ist sicher keines von beiden. Ich persönlich würde es
bevorzugen, irgendwo im Garten einzuschlafen, mir die Sonne auf den
Bauch scheinen zu lassen und mit einer Sonnenbrille und einem guten
Buch in der Hand vor meinen Schöpfer zu treten, aber wahrscheinlich
fragt mich am Ende eh wieder keiner nach meiner Meinung.
Nun gut, der Herr August war
urplötzlich Kurfürst von Sachsen (wenn man den Gerüchten glaubt,
hatte er ohnehin kein besonders gutes Verhältnis zu seinem Bruder,
weshalb die Thronbesteigung (sollte sich die Vergiftungstheorie als
richtig erweisen) vielleicht doch nicht ganz so unerwartet kam),
später dann auch König von Polen, was aber wieder eine ganz andere
Geschichte ist, im Zuge derer übrigens die Dresdner Hofkirche nebst
dazugehöriger Silbermann-Orgel gebaut wurde, denn Polen war im
Gegensatz zu Sachsen katholisch und nach seinem Übertritt zum
katholischen Glauben (der ihm im Übrigen ziemlich böse angekreidet
wurde) hatte er ja auch ein halbwegs brauchbares Gotteshaus
vorzuweisen.
Abgesehen von polnischen Kronen,
italienischen Dörfchen und ein paar anderen Kleinigkeiten, hatte es
dem guten August allerdings der glamuröse Lebensstil der
französischen und italienischen Könige angetan... alles golden
anstreichen, mit Geld um sich werfen und viele schnörkelige
Prachtbauten in die Stadt klotzen, das wollte er auch. Und da die
Könige auch die entsprechenden Künstler, Architekten und Musiker am
Hof hielten, versammelte auch August eine entsprechende Auswahl um
sich.
Was die Kunst betrifft, so hat er
tatsächlich einiges hinterlassen, der Starke August. Aus der
Renaissance-Stadt Dresden wurde eine Barockstadt, die gotischen
Spitzgiebelhäuschen wichen steinernen Bauten und die Elbe wurde von
Prachtbauten gesäumt, wie die venezianischen Kanäle von den
Dogenpalästen. Das Elbflorenz entstand.
Auch musikalisch zeigte er sich
interessiert und scharte Komponisten und Musiker wie Hasse, Benda,
Quanzt und Pantaleon Hebenstreit (nach dem das Instrument Pantalon
benannt ist... und nein, es handelt sich hierbei nicht um einen
musikalischen Hosenboden... etwas mehr Respekt, wenn ich bitten
dürfte :D , auch wenn man das Ding gründlich versohlen konnte... Tatsächlich ist ein Pantalon nämlich eine Art überdimensionales Hackbrett,
wobei man später auch eine frühe Art des Hammerklaviers also
Pantaleon bezeichnete; wohl weil dieses ebenfalls von Hämmerchen
angeschlagen wurde, wenn auch durch Tastendruck, statt durch
gezieltes drauflosklöppeln ), sowie Mitglieder der uns wohlbekannten
Familie Bach um sich. Für Musik war in der Hofkapelle also
gesorgt. Bis der am Ende seines Lebens über 110kg schweren
Diabetiker August in himmlische Gefilde abberufen wurde. Danach war
erstmal monatelang Ruhe in der Manege.
Und was macht man in der ganzen stillen
Zeit, wenn man Johann Sebastian Bach heißt, doch eigentlich Komponist und Kantor ist und sein
Auskommen damit bestreitet, Kantaten zu schreiben und die Thomaner
zum singen anzuleiten (oder einen gewissen Gottfried Benjamin
Fleckeisen und seine Kumpels damit zu beauftragen, während man
selbst wer-weiß-was macht)? Richtig: Man nutzt die Zeit und
komponiert. So geschehen mit der h-Moll-Messe, die während der
sächsischen Landestrauer im Todesjahr des Kurfürsten 1733 entstand.
Zumindest die erste Fassung mit dem Kyrie und dem Gloria schrieb er
in dieser Zeit und widmete die Messe, da vom alten Friedrich August
ja nichts mehr zu erwarten war, gleich seinem Nachfolger und Sohn,
Kurfürst Friedrich August II. Damit wäre die Messe zwar kürzer als wir sie heute kennen, aber in sich doch abgeschlossen, denn die Messen Bachs enthalten nach lutherischer Tradition eigentlich nur diese beiden Teile. Später nahm er sich die ganze Sache
allerdings noch einmal vor und baute die Kurzmesse zur uns bekannten
langen Form aus. Warum wissen die Götter. Oder die Bachforscher.
Wobei auch diese es beim gegenwärtigen Stand der Forschung nur
vermuten können.
Jedenfalls bewahrheitet sich auch in
diesem Fall der Satz, mit dem ich bereits die Geschichte mit Berlioz
und den Drogen beendet habe: Es kann nichts so tragisch sein, dass nicht wenigstens ein cooles Musikstück dabei herauskäme.
Ein Schnee-Bach... wenn man ein Buch gewinnen kann, schippt auch das Fröken mit :D
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