Mal ein bisschen Theorie - Modi / Kirchentonarten
Nachdem ich nun eine ganze Weile nicht gebloggt habe, bin ich gebeten worden, doch ein paar Erklärungen zum Thema Musiktheorie zu machen. Diese Idee greife ich gerne auf und möchte heute etwas über die sogenannten Kirchentonarten (Modi) bloggen.
Im Gegensatz zu den vorherigen Einträgen handelt es sich also nicht um eine Meinung oder eine Anekdote, sondern um eine (hoffentlich verständliche) Erklärung zu einem Theoriethema.
Die Modi sind ein umfassendes Thema, der Post ist daher lang und beiweitem nicht fertig. Es wird also vermutlich einen weiteren Teil mit zusätzlichen Anmerkungen geben, der vermutlich auch die Klauseln und die Frage nach dem Erkennen durch Hören beinhalten wird.
Kommen wir heute aber zu den Grundsätzen der Kirchentonarten:
Modi / Kirchentonarten
Fakten:
Der Name Kirchentonarten ist
irreführend und wird heutzutage selten verwendet. Zugegeben,
ursprünglich ging die Musiknotation in unserem Kulturkreis von der
Kirchenmusik aus (da hier auch der mehrstimmige Satz entstand, der
eine Festlegung der Töne notwendigmachte, damit nicht jeder singt,
wie er will, und ein Choral klingt wie Freejazz), aber auch in der
weltlichen Kunstmusik wurden diese Skalen verwendet.
Die Bezeichnungen der Modi entstammen dem Griechischen, haben aber mit den tatsächlichen alten griechischen Skalen nichts zu tun. Antike griechische Tonleitern verliefen nämlich von oben nach unten, statt wie unsere von unten nach oben.
Die Bezeichnungen der Modi entstammen dem Griechischen, haben aber mit den tatsächlichen alten griechischen Skalen nichts zu tun. Antike griechische Tonleitern verliefen nämlich von oben nach unten, statt wie unsere von unten nach oben.
Statt – wie heute- mit 2
Tongechlechtern (Dur und Moll) zurechtkommen zu müssen (alle anderen
Tonarten (F-Dur, D-Dur, Fis-Dur...) sind nur nach oben oder unten
verschobene „Klone“ dieser beiden Modi), hatten die Komponisten
der Renaissance (und zum Teil auch des Barocks) die Wahl zwischen
mehreren Tongeschlechtern:
Dorisch
Phrygisch
Lydisch
Mixolydisch
→ Das sind die authentischen
Modi
Hypodorisch
Hypophrygisch
Hypolydisch
Hypomixolydisch
→ Das sind die davon abgeleiteten
plagalen Modi
Dazu kamen später
Ionisch
Äolisch
→ Das sind die Modi, die wir heute
unter der Bezeichnung Dur und Moll kennenlernen
Im Jazz verwendet man auch:
Lokrisch
Diese Tonleitern beginnen auf
unterschiedlichen Tönen:
Modus
|
Grundton
|
Zusatzinfo
|
Dorisch
|
d
|
|
Phrygisch |
e
|
|
Lydisch |
f
|
|
Mixolydisch |
g
|
|
Äolisch |
a
|
Heutiges Moll
|
Lokrisch |
h
|
Keine ursprüngliche Kirchen-, sondern eine später
abgeleitete, hauptsächlich im Jazz verwendete Tonart
|
Ionisch |
c
|
Heutiges Dur
|
Zählt man die plagalen Tonarten
zusammen, so ergeben sich insgesamt 7 Tonarten, jeder Grundton der
Stammtonreihe wäre somit abgedeckt.
Wodurch unterscheiden sich nun die
Modi?
Nur durch den Anfangston?
Grundsätzlich könnte man davon
ausgehen, dass der Anfangston der herausragende Unterschied zwischen
den Modi ist, schließlich unterscheiden sich ja auch z.B. C-Dur und
D-Dur durch den Anfangston, bleiben aber sonst von den Tonabständen
her gleich. Aber genau das, also die Tonabstände, sind der
entscheidende Punkt bei der Unterscheidung der Modi.
Über die Stammtonreihe wissen wir
folgendes:
Die Halbtonschritte liegen immer
zwischen den Tönen e/f und h/c.
Beginnt nun eine Tonleiter auf c, so
ergeben sich folgende Halbtonschritte:
1. Ton
|
2
|
3
|
4
|
5
|
6
|
7
|
8
|
c
|
d
|
e
|
f
|
g
|
a
|
h
|
c
|
Unsere Halbtonschritte liegen also
zwischen dem 3. und dem 4. Ton, sowie zwischen den Tönen 7 und 8.
Beginnen wir mit d, was der dorischen
Tonleiter entspricht, so ändert sich das Bild:
1. Ton
|
2
|
3
|
4
|
5
|
6
|
7
|
8
|
d
|
e
|
f
|
g
|
a
|
h
|
c
|
d
|
Die Töne e/f, sowie h/c mit ihren
halbtonschritten liegen nun zwischen dem 2. und dem 3., sowie dem 6.
und dem 7. Ton.
Dasselbe für die phrygische Leiter mit
Anfangston e:
1. Ton
|
2
|
3
|
4
|
5
|
6
|
7
|
8
|
e
|
f
|
g
|
a
|
h
|
c
|
d
|
e
|
Hier liegt der erste Halbtonschritt
bereits bei 1 / 2. Das ist übrigens der Grund, weshalb der
Halbtonschritt nach oben am Ende einer Phrase auch als phrygische
Wendung bezeichnet wird.
Auf diese Weise können wir alle Modi
durchmachen und erhalten am Ende folgende Halbtonschritte (lokrisch
kommt nur im Jazz vor und fehlt deshalb in der Liste):
Modus
|
dorisch
|
phrygisch
|
lydisch
|
mixolydisch
|
äolisch (Moll)
|
Ionisch (Dur)
|
Grundton
|
d
|
e
|
f
|
g
|
a
|
c
|
HalbTS
|
2/3, 6/7
|
1/2, 5/6
|
4/5, 7/8
|
3/4, 6/7
|
2/3, 5/6
|
3/4, 7/8
|
Was sind nun diese plagalen Modi?
Was bringt das Hyper-, wo wir doch
schon für jeden Ton der Stammtonreihe eine Tonleiter haben?
Die Modi, oder
Kirchentonarten, bestimmen sich nicht alleine durch ihren Grundton
(der übrigens nicht nur Anfangs-, sondern auch immer der Schlusston
ist und deshalb auch „finalis“ genannt wird).
Auch der Ambitus,
also der Tonumfang vom tiefsten bis zum höchsten Ton war durch die
Art zu singen ziemlich eingeschränkt.
Ebenfalls typisch
für diese Tonarten wäre beispielsweise die sogenannte Repercussa,
der Ton, der immer wieder wiederholt wird und bei Gregorianik manchmal ein bisschen den
Eindruck eines Rezitativs oder gar Sprechgesanges hinterlässt.
Weitere Tonarten
bringen also zunächst ganz einfach eine Erweiterung des Tonraumes.
Die plagalen Tonleitern beginnen jeweils auf der Unterquarte der
authentischen Tonart.
Dorisch beginnt
also auf d, Hypodorisch auf der Quarte darunter, somit also auf a.
Finalis bleibt
allerdings das d der authentischen „Muttertonart“, daher unterscheidet sich das Hypodorische trotz des gleichen Anfangstons vom
Äolischen (also von a-Moll).
Die Repercussa
liegt gemeinhin eine Quinte über dem Grundton der authentischen
Tonart.
Bei den plagalen
Modi liegt er eine Terz unter der authentischen Repercussa.
Eine Ausnahme bietet der phrygische Modus,dessen authentische Repercussa eine Quarte über dem Grundton liegt, um den Ton h als Repercussa zu vermeiden. Die Sache mit dem h ist auch der Grund dafür, dass es keinen „echten“ (also alten) lokrischen Modus gibt. Warum das so ist, können wir gerne direkt klären, hier würde es den Rahmen sprengen.
Eine Ausnahme bietet der phrygische Modus,dessen authentische Repercussa eine Quarte über dem Grundton liegt, um den Ton h als Repercussa zu vermeiden. Die Sache mit dem h ist auch der Grund dafür, dass es keinen „echten“ (also alten) lokrischen Modus gibt. Warum das so ist, können wir gerne direkt klären, hier würde es den Rahmen sprengen.
Neben der Finalis
gibt es übrigens auch eine Confinalis, auf dem ein in einer
Kirchentonart abgefasstes Stück ebenfalls enden kann. Sie liegt bei
den authentischen Tonarten eine Quinte oder Sexte über der Finalis.
Viele Musiklehren beschränken sich heute aber auf die wichtigere
Finalis und die Repercussa.
Haben die Modi denn auch Vorzeichen?
Wenn ja, gibt es so etwas wie f-Dorisch oder e-Lydisch?
Um es kurz zu
machen: Ja. Und ja.
In der älteren
Musik wurden relativ wenige Vorzeichen gesetzt, aber natürlich
erweiterte sich das Spektrum im Laufe der Zeit.
Versetzungszeichen
(im Unterschied zu Vorzeichen, die vorne zu Beginn der Notenzeile
stehen und sich auf das gesamte Stück beziehen, gelten
Versetzungszeichen nur für den Takt, in dem sie stehen) wurden
häufig gar nicht erst notiert, da man davon ausging, dass die Sänger
wussten, wann sie einen Halbton höher oder tiefer zu singen hatten.
In einigen
Notenausgaben findet man daher Versetzungszeichen nicht vor der Note
selbst, sondern über der Notenzeile. Solche Anmerkungen stammen
nicht vom ursprünglichen Komponisten, sondern vom Verleger, der uns
die Sache erleichtern möchte.
Solche
Veränderungen um einen halben Ton findet man gerne in typischen
Schlusswendungen.
Am Ende eines
Abschnittes „schließt“ sich das Ganze, um einen harmonischen
Schlussklang zu erzielen. Schließen heißt im Lateinischen Clausula,
weshalb solche Schlusswendungen auch als Klauseln bezeichnet werden.
Typisch ist beispielsweise die Sopranklausel, die einen Halbton nach
oben in den Grundton (Finalis) geht. In solchen Fällen werden
Versetzungszeichen gebraucht.
Die Vorzeichen, die für das gesamte Stück (oder bis zu ihrer Auflösung) gelten, kann
man relativ leicht bestimmen, wenn man den Quintenzirkel kennt.
Im Quintenzirkel
finden sich nämlich nicht nur die Vorzeichen für Dur (Ionisch) und
Moll (Äolisch), sondern eigentlich auch die für alle anderen Modi.
Der Witz dabei
ist, zu erkennen, dass die Grundtöne aller Modi im Zirkel stehen und
man von dort aus bequem abzählen kann, wann wo wie viele Vorzeichen
stehen. Im Grunde machen wir ja auch bei Dur oder Moll nichts
anderes.
Versuchen wir es einmal mit dem
altbekannten Ionischen Modus, also Dur:
Der Grundton der
Ionischen Leiter ist das C, also hat C-Ionisch kein Vorzeichen.
Für jedes Kreuz
wandern wir nun einen Schritt weiter nach rechts, also im
Uhrzeigersinn.
Der erste Schritt
wäre also G-Ionisch. Und weil wir einen Schritt gemacht haben, hat
G-Ionisch ein Kreuz (Das stimmt mit dem Quintenzirkel in Dur also
komplett überein).
2 Schritte weiter:
D-Ionisch (D-Dur) → # #
3 Schritte:
A-Ionisch (Dur) → ###
u.s.w.
Nun mal schnell in
die Gegenrichtung: Ein b für jeden Schritt nach links:
1 Schritt:
F-Ionisch → b
2 Schritte:
B-Ionisch → bb
3 Schritte:
E-Ionisch → bbb
Und in Moll? Also
Äolisch?
Nach rechts:
1 Schritt:
e-Äolisch → #
2 Schritte:
h-Äolisch → ##
3 Schritte:
fis-Äolisch → ###
nach links:
1 Schritt: d-
Äolisch → b
2 Schritte: g-
Äolisch → bb
3 Schritte: c-
Äolisch → bbb
und immer so
weiter.
Diese beiden
Varianten (Ionisch und Äolisch) haben die meisten Musikschüler
wahrscheinlich ohnehin irgendwann mal auswendig gelernt.
Was mache ich, wenn ich z.B. ein b als Vorzeichen habe? Dann kann ich ja schlecht ein # zufügen, oder?
Ein b kommt hinzu, wenn ich eine Quinte nach unten zähle (z.B. von c aus zum f ).
Ein # kommt hinzu, wenn ich eine Quinte aufwärts zähle.
Ein b und ein # lösen sich also gegenseitig auf.
Ein # mehr bedeutet dann eben ein b weniger.
Was mache ich, wenn ich z.B. ein b als Vorzeichen habe? Dann kann ich ja schlecht ein # zufügen, oder?
Ein b kommt hinzu, wenn ich eine Quinte nach unten zähle (z.B. von c aus zum f ).
Ein # kommt hinzu, wenn ich eine Quinte aufwärts zähle.
Ein b und ein # lösen sich also gegenseitig auf.
Ein # mehr bedeutet dann eben ein b weniger.
Und wie ist das nun mit z.B.
Dorisch?
Ganz genauso.
Dorisch beginnt auf dem Ton d, also hat d-dorisch keine Vorzeichen.
Gehen wir nach rechts haben wir zunächst a-dorisch und somit ein #.
Gehen wir nach rechts haben wir zunächst a-dorisch und somit ein #.
2 Schritte:
e-dorisch → ##
3 Schritte:
h-dorisch → ###
und so weiter.
Entgegen dem
Uhrzeigersinn stoßen wir zunächst auf g (b), dann auf c (bb), f
(bbb), b (bbbb) und so weiter, bis die bs aus Platzmangel aus dem
System fallen.
Muss ich das können?
Da man nie
ausschließen kann, so etwas in irgendeiner Klausur gefragt zu
werden: Ja!
Aber wir können
es ja auch einfach einmal ausprobieren:
Welche Vorzeichen
hat beispielsweise
a) c-phrygisch?
b) c-lydisch?
c) a-mixolydisch
d) f-dorisch?
Lösungen:
a) bbbb
b) #
c) ##
d) bbb
Wenn ich auch Dur und Moll einfach
abzählen kann, wozu muss ich dann den Quintenzirkel in diesen
Tongeschlechtern auswendig lernen?
Musst Du nicht. Im
Grunde genügt es, sich klarzumachen, dass man vom vorzeichenlosen
Grundton aus für jede Quinte nach oben ein # und für jede Quinte
nach unten ein b dazuzählen muss.
Da aber der
Hauptteil unserer Musik aus Dur- und Molltonarten besteht, ist es ganz
einfach praktisch, diese beiden Zirkel im Kopf zu haben. Da geht es
um die Geschwindigkeit und das Ausschließen von Fehlerquellen.
Gibt es eine weitere Möglichkeit,
die Vorzeichen der Modi zu bestimmen?
Ja, die gibt es.
Dazu zählst Du ganz einfach die Ganztonschritte, die zwischen den
Modi und der Dur-Tonleiter liegen.
Dorisch beginnt
einen Ganztonschritt über C-Dur. Beide haben keine Vorzeichen.
A-dorisch liegt
einen Ganztonschritt über G-Dur. Und G-Dur hat ein #, also hat
a-dorisch auch ein Kreuz. Auf diese Weise kann man ganz gut
zurechtkommen.
Bei Dorisch ist
dies auch noch einigermaßen einfach, aber Lydisch liegt
beispielsweise 2 Ganztonschritte und einen Halbtonschritt über
C-Dur. Wer noch nicht so ganz fit ist und nicht direkt aus dem Kopf
sagen kann, ob nun zwischen f und a beispielweise eine große oder
eine kleine Terz liegt, der kann sich bei diesem System schneller mal
verhauen. Im Grunde ist es aber Dir selbst überlassen. Nimm ganz einfach die
Version, in der Du dich am sichersten fühlst.
Wie man sieht, gibt es derzeit wieder ein paar Aufnahmen. Und ja, wenn ich mich konzentriere, sehe ich zum fürchten aus :D
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