Wenn Strauss, dann Vogel. Wenn Wagner, dann Friedelind
„Huch?
Was ist denn mit dem Froeken los?“ werden einige Leser denken, „Hat
ihr der Herr Sagichnicht so zugesetzt? Hat sie ihre Wut auf den
Ikeamann eingeholt? Hat sie zuviele Fragwürdigkeiten aus dem
AfD-Programm unter die Nase bekommen? Oder weshalb hat sie sich in
der letzten Zeit ihr blauen Strümpfe angezogen und ihren Jeanne
D'Arc Harnisch umgeschnallt?“
Neulich
erst, im Post zur Musiksoziologie, war die Frage nach den
musizierenden Frauen aufgekommen, in „Il Ballo delle Ingrate“
wird fleißig Suzanne Cusick zitiert, parallel zu diesem Blogpost
suche ich nach Material zum Thema „was ist eigentlich ein Klavier“,
was ebenfalls nicht ohne die typisch weibliche Rolle der ausführenden
Musikerin mit Spiegel über dem Schminktischpiano auskommt, und nun
hole ich Winifred Wagners Enfant Terrible, das schwarze Schaf unter
ihren Kindern hervor? Friedelind, die sich als einziges Mitglied der
Wagnerfamilie öffentlich gegen das Naziregime stellte, das sich von
Hitlers langem Arm entfernt, an dem sie noch in den 1930er Jahren
gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester Verena so werbewirksam gehangen
hatte? Tja...was ist los mit mir? Noch vor einem haben Jahr habe ich
klipp und klar gesagt, dass es meiner Meinung nach unerheblich ist,
ob nun Johann Sebastian oder Anna Magdalena Bach irgendwelche Stücke
komponiert haben, ob Carl Philipp derjenige war, der die Korrekturen
vornahm, oder Catharina Dorothea, denn man kann Musikgeschichte nicht
außerhalb ihrer Zeit betrachten. Geschichte ohne Zeitbezug, das ist
wie Vanilleeis ohne Kühlung...es funktioniert ganz einfach nicht.
Und für eine Familie wie die Bachs ist die innerfamiliäre
Urheberschaft einer Melodie oder Generalbassbegleitung in etwa so
wichtig wie es bei der Betrachtung des Kölner Domes ist, ob der
jüngere Sohn des Steinmetzes Haudraufwienix bei einem bestimmten
Stein auch mal den Hammer schwingen durfte.
Und
jetzt? Ist die musikalische Weltfrauenwoche angebrochen? Oder war es
vielleicht der folgende Tweet, der mich vor Kurzen vor Lachen fast
vom Stuhl fallen ließ?
Nein,
eigentlich nicht. So lustig die Idee auch sein mag, Frauen, deren
feinmotorische Fähigkeiten nachweislich besser ausgebildet sind als
bei Männern, als zu dusselig zu bezeichnen, eine Gitarrensaite an
der richtigen Stelle herunterzudrücken (wir sind offensichtlich noch
für viel mehr zu blöd... ein Anruf bei der Hotline von Gilette, was
eigentlich so „speziell für Frauen geeignet“ sei, an ihrer neuen
(und ***teuren) Reihe an Damenrasierern ergab folgende Klarstellung:
1) Sie sind in rosa erhältlich (was für das Entfernen der Haare
offensichtlich unerlässlich ist... vielleicht fallen sie ja vor
Schreck von selbst ab, wenn sie die pinkfarbene Waffe erspähen) und
2) sie sind besonders sicher. Die Klingen wurden sogar extra „hinter
Gitter“ gesteckt, damit wir uns nicht aus Versehen die Beine
abschneiden...interessant an der ganzen Geschichte ist nur, dass es
die blutstillenden Alaunstifte und speziellen Pflaster gegen
Rasierschnitte ausschließlich in der Männerabteilung zu kaufen
gibt... was lernen wir daraus? Männer zerschnippeln sich auch. Aber
sie tun es ganz offen und mit der nötigen Prise Männlichkeit),
eigentlich geht es bei der Sache mit Friedelind um etwas ganz
anderes: Friedelinds Mutter Winifred Wagner hatte bereits bewiesen,
dass es für eine Frau sehr wohl möglich war, die Festspiele ihres
Schwiegervaters Richard Wagner zu führen. 14 Jahre lang hatte sie
die Bayreuther Festspiele geleitet und sich auch als starke
Persönlichkeit einen Namen gemacht. Allerdings eben auch in
Bereichen, die die Familie heute lieber aus de kollektiven Gedächtnis
streichen würde: Vermutlich wäre die Welt von literarischen
Ergüssen wie „Mein Kampf“ verschont geblieben, hätte die liebe
Frau Wagner dem Herrn mit dem Schnuppelbärtchen (bald im ganzen
Hause Wagner unter dem klangvollen Namen „Onkel Wolf“ bekannt)
nicht fürsorglich Care-Pakete mit Schreibmaschinenpapier geschickt.
Manchmal sollte man eben aufpassen, wen man zum Schreiben ermutigt.
Oder zum Lesen.
Versteht
mich nicht falsch, Fehler kann man immer machen, aber wer sich im
Jahr 1975 in einem Filminterview noch folgendermaßen äußert:
„Also, wenn heute Hitler hier zum Beispiel zur Tür
hereinkäme, ich wäre genauso so so so fröhlich und so so
glücklich, ihn hier zu sehen und zu haben, als wie immer …“ ,
dann hat man vermutlich den Schuss nicht gehört.
Oder keine Ahnung von Public Relations und
Selbstvermarktungsstrategien. Denn zumindest nach außen hin
empfiehlt es sich, sich als Mensch mit Herz und Hirn zu geben. In der
inneren Villa Wahnfried (oder besser Wahnunfried, denn der Wahn
scheint sich da ja kaum zur Ruhe begeben zu haben) kann sie ja
meinetwegen denken, was sie will.
Dem
Ansehen der Festspiele hat das Ganze komischerweise nie geschadet.
Vielleicht, weil man ohnehin weiß, auf was für einen Clan man sich
einlässt, wenn man irgend etwas in die Hand nimmt, das (zumindest
bis zu Wielands Zeiten) mit der Familie Wagner im Zusammenhang steht,
vielleicht auch, weil tatsächlich die Musik zählt und man ja auch
nicht auf die Idee käme, gegen eine Aufführung von Lully zu
protestieren, obwohl der meinen Freundeskreis wohl ebensowenig
bereichert hätte wie der gute Richard.
Die
letzten von Winifred geleiteten Festspiele fanden 1944 statt, ehe
alle deutschen Theater geschlossen wurden, und wurden hauptsächlich
zur Erbauung angeschossener, kriegstraumatisierter, kurz gesagt
seelisch und körperlich verstümmelter (jup, da mag ich nichts
schönreden, keine Chance) Soldaten genutzt. Wenigstens ein paar
Takte nette Musik sollte man noch anhören können, wenn einem schon
die Beine weggeschossen und die Familie ausgebombt worden war.
Nach
der Wiedereröffnung gab Frau Wagner die Leitung dann an ihre Söhne
Wieland und Wolfgang weiter. Und nicht, wie im Testament ihres
Mannes ursprünglich festgelegt, an alle vier Kinder.
Friedelind
hatte nämlich gegen ein Gebot verstoßen, das ihr ihre Mutter nicht
verzeihen konnte.
Hätte
sie weiterhin an Hitlers Arm gehangen, wie hier zu sehen ist; niemand
hätte sie verurteilt. Hätte sie ihn in ihrem Hause zum
Dauerehrengast gemacht, ihre Kinder Adolf und Adolfine genannt und
schriftlich um Fremdarbeiter zur billigen Erledigung ihrer Wäsche
und Putzarbeiten gebeten (heutzutage wird so etwas gerne unter dem
Label „made in Bangladesh“ versteckt), man hätte sie mit offenen
Armen empfangen.
Hätte
sie eine Hymne geschrieben, nach der politische und religiöse
Häftlinge in die Gaskammern der Konzentrationslager geführt wurden,
vermutlich hätte man ihr auch das irgendwie verziehen. Und auch die
Tatsache, dass sie im Internierungslager auf der Isle of Man eine für
die damalige Zeit ziemlich fragwürdige Freundschafts- oder doch Liebesbeziehung führte,
hätte man ihr wohl nur deshalb angekreidet, weil es sich bei der
geliebten Frau um eine Jüdin handelte.
Aber
Friedelind tat das Unaussprechliche: Sie begann, an den Worten des
lieben Onkel Wolf zu zweifeln, wollte Regisseurin werden, bereiste
andere Länder, traf dort Schauspieler, Künstler und andere
ehemalige Deutsche, die aufgrund ihrer jüdischen Abstammung in
Deutschland mit einem Berufsverbot belegt wurden, oder sogar um ihr
Leben fürchten mussten. Und dann fasste sie einen Antschluss, den
sie dem Dirigenten Artur Toscanini, mit dem sie zeitlebens eine
äußerst komplizierte Beziehung verband (und den sie, nachdem er ihr
einmal empfindlich zu hae getreten war, in einem Brief als „Lieber
ehemaliger Freund“ betitelte) folgendermaßen erklärte: „Gerade
weil ich deutsch bin, lebe ich nicht in Deutschland – weil dies
kein Deutschland mehr ist. Ich bin eine Wagner – und ich liebe
meine Familie – selbst wenn ich wenig Liebe erhielt. Ich bin es
meinem Vater schuldig und der gesamten Familie. Ich glaube, sobald
der Krieg vorbei ist, dass meine Familie das erkennen wird.“
:Friedelind zog nach England (von woher ihre Mutter stammte und wo
sie nach Verschärfung der Regelungen für feindliche Ausländer eine
Zeitlang als „enemy alien“ selbst in einem Internierungslager auf
ihre Ausreise in die USA warten musste), verfasste Zeitungsartikel,
die sich gegen das Naziegime richteten und kehrte erst zurück, als
Hitler tot, der Krieg vorbei und die Wagnerspiele in den Startlöchern
zur ersten Saison unter neuer Leitung standen.
Und
Mama Winifred? Die reagierte wie ein Teenager, dessen
Justin-Bieber-Poster beschmutzt worden war und wollte mit ihrer
Tochter nicht in Verbindung gebracht werden.
Nicht
einmal die Tatsache, dass Friedelind ihre Familie während der
schwierigen Jahre nach Kriegsende mit Lebensmitteln unterstützte,
konnte sie umstimmen. Die Sache mit dem Erbe umging Winifred übrigens
mal wieder mit der ihr eigenen Raffinesse: Sie behielt das
Festspielhaus samt Leitung als Vorerbin und vermietete es ganz
einfach an ihre beiden Söhne, womit dich die Sache mit Siegfried
Wagners Testament erst einmal erledigt hatte.
Nicht,
dass die beiden unfähig gewesen wären; Wieland Wagners radikal
runderneuerte Inszenierungen waren Vorbild für eine ganze Generation
von Theaterregisseuren, aber wir lernen mal wieder, was wirklich
wichtig und was unverzeihlich ist im Leben: Du darfst einen Weltkrieg
anzetteln und einen nicht unerheblichen Teil Deiner eigenen
Bevölkerung vernichten. Aber Du darfst Dich nicht gegen die
Moralvorstellungen Deiner Mutter stellen. Und damit gehe ich mich
jetzt verabschieden und das Treppenhaus putzen. Sonst steigt mir
nämlich meine eigene Mutter aufs Dach. Für manches ist man eben nie
zu alt.
Ganz echte richtige Sonne... kaum zu glauben, aber leider auch nicht von Dauer...So langsam kommen die Krokusse ("Krokeen" :) ), aber auch nur die blauen.
Lauti ist krank :( Die Gitarre ist noch viel kränker,
aber zum Glück kann der nette Onkel Doktor beiden helfen
Doch, das kann man trinken...schmeckt gemischt sogar überraschend gut.
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