Erst mal Gugge - Von alpenländischen Marchingbands und Pfingstsochsen zur Fastnet
So ab und zu bekommt
ja auch das Fröken mal Post von den Lesern dieses Blogs. Manchmal
artet das sogar in wilde Diskussionen aus, manchmal gibt es aber auch
einen Wunsch nach einem Beitrag zu einem bestimmten Thema.
Häufig denke ich
mir in solchen Fällen dann „Ach, das wäre tatsächlich mal
einen Artikel wert!“, neulich dachte ich allerdings eher „Guter
Witz!“ bis mir einfiel, dass ich viel zuwenig Ahnung von dieser
Musikrichtung hatte, um zu wissen, ob es sich überhaupt um einen
Witz handeln sollte.
Wie sich unschwer am
Titel des heutigen Postings erraten lässt, dreht es sich bei diesem
Musikstil um die sogenannte Guggenmusik: In meiner Vorstellung die
Art von Musik, die der Alm-Öhi in seinen CD-Player warf, wenn er
sich nach einem langen Tag des Ziegenhütens mal wieder ein paar
spannende Kräutlein in seine Tabakspfeife stopfte um seinen „Fyrabe“
zu genießen. Na dann: Vöy Vergnüaga, ich hoff äs fägt!
Genug der
Verbreitung alpenländischer Vorurteile, gehen wir die Sache mal
systematisch an: Was um alles in der Welt ist „eine Gugge“? Eine
vornehmere Aussprache von „oiner Gugg“, was dem Schwäbischen
Ausdruck für „eine Plastiktüte“ oder einen Einkaufsbeutel
entspricht? Tütenmusik also? Nein, das war Reggae... wobei
Guggenmusik auch Teil des Schwäbisch-Allemannischen Faschings ist
und die Beutelgeschichte zumindest etymologisch gesehen nicht aus dem
Rennen ist. Desweiteren ist „guggen“ mundartlich für „schauen“
und möglicherweise mit dem Wort „Guggel“ (Auch Güggel oder
Gockel) verwandt: Krähmusik also. Hühnerpop.
Wenn man sich die
Herren Musiker einmal genauer ansieht ,
so finde ich den Vergleich zum Haushuhn sogar einigermaßen
angemessen, zumindest, was die Kostümierung betrifft: Klick
Seit dem 16.
Jahrhundert ist diese Art der Fastnachtsmusik schriftlich bezeugt,
wobei es doch einigermaßen schwierig ist, den Musikstil an sich
genauer zu beschreiben. Es scheint sich dabei eher um die Art der
Wiedergabe zu drehen: Marschierenderweise, bunt kombiniert und mit
dem Ziel, den Winter endgültig zu vertreiben. Andere werfen dabei
mit „Kamelle“, die Guggenmusiker werfen eben mit Noten um sich,
die ungefähr genauso schmerzhaft sein können, wenn man sie mit
voller Wucht an den Kopf gedonnert bekommt.
Heutige Guggis, wie
sie sich anscheinend in der Schweiz zu nennen pflegen, spielen meist
ein buntes Repertoire aus Militärmusik, Schlager, „Ohrwürmer“
der klassischen Musik, dann wieder etwas Marching Band...die
blockartig hintereinander gesetzt ohne Punkt und Komma ineinander
übergehen und mehr oder weniger davon leben, dass die Töne nicht
immer ganz unserer klassisch-verwöhnten Erwartung entsprechen. Ein
bisschen wie Charles Yves auf Koks also. Wobei ich Yves trotz seiner
manchmal etwas radikal-klischeebeladenen Machosprüche trotzdem ganz
gerne höre, die Guggenmusik jedoch … gewöhnungsbedürftig...
finde. Kurz gesagt: Dass diese Musik ihren Ursprung in der Fastnacht
hat, also dazu diente, den Winter zu vertreiben, kann man sich
lebhaft vorstellen und sie scheint darin ja auch recht effektiv
gewesen zu sein. Erstens hätte ich mich an Stelle des Winters auch
auf die Socken gemacht, wäre mir jemand mit einem dudelnden Kuhhorn
auf die Nerven gegangen (der Winter wird ja nicht umsonst als die
„stille Jahreszeit“ betrachtet; mit dieser Mischung aus Alpenjazz
und Heustadelschwoof hatte er wohl nicht allzuviel am Hut) und
zweitens ist es ja tatsächlich auch bisher jedes Mal Frühling
geworden. Und wenn eine Studie ganz klar zeigt, dass es bei 100
Versuchen, den März einzuläuten auch tatsächlich 100x März wurde,
dann könnte man fast auf eine derart bekloppte Idee kommen, einen
kausalen Zusammenhang zu sehen. Fast. Nicht wirklich. Hoffe ich.
Ansonsten mal ganz schnell die Hand an die Stirn legen und die
Temperatur überprüfen, vielleicht lässt sich ja noch etwas machen,
wenn man es rechtzeitig erkennt.
Nun sagt man den
Bernern gerne nach, sie seien etwas langsamer als andere (die meisten
werden den Witz vom Berner kennen, der Schneckensammeln geht und am
Abend mit leerem Korb nach Hause kommt. Auf die Frage, wo denn die
Schnecken seien, antwortet er „Die sind viel zu schnell
weggelaufen, ich hatte keine Chance!“), den Vogel schießen
allerdings offensichtlich die Basler ab, die es fertigbringen, am
Montag NACH Aschermittwoch den Fasching einzuläuten... das dann
allerdings um 4 Uhr in der Frühe beim sogenannten Morga- oder auch
Morgestraich.
Angesichts der
Uhrzeit dürfte es verständlich sein, dass die Bewohner der Basler
Innenstadt zunächst wenig Begeisterung dafür zeigten, als die erste
Guggenband im Jahre 1874 mit Getöse durch die Straßen zog und den
Morgastraich begleitete. Dorfkinder, die es gewohnt waren, dass
riesige Kuhherden mit tosenden Glocken, bellenden Hütehunden und
plärrenden, pfeifenden Hirten durch die Straßen zogen, waren vom
Klang der Musikgruppen wahrscheinlich weniger aufgeschreckt. Auch die
Klamotte dürfte sie an ähnliche Umzüge erinnert haben. Angesichts
der Ähnlichkeit zwischen marschierenden Guggenmusikern
und Pfingstochsen beim Almauftrieb wird sich der eine oder andere Schweizer vermutlich gefragt haben „Ja
isch denn heut scho Pfingschte?“
Vermutlich nicht,
liebe Schweizer. Es ist immer noch Februar, das Murmeltier ist noch
nicht aus seinem Bau gekrochen (im Gegenteil, es sitzt in seinem
Wohnzimmer, hat die Türen verrammelt und hält sich die Ohren zu)
und wir sagen euch eines voraus: Noch weitere 4 Wochen Winter. Da
könnt ihr soviel Krakeelen, wie ihr wollt.
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