23% Bach

Vor einiger Zeit
war ich auf der Suche nach einer DVD, die ich klugerweise bereits
sofort nach dem Auspacken an einer Stelle deponiert hatte, die ich
mir schon zu diesem Zeitpunkt nicht merken konnte. Dabei geriet mir
ein Stapel älterer Bach-Magazine in die Finger, die durchzusehen
bedeutend spannender war, als weiterzusuchen, weshalb ich besagte DVD
bis heute nicht gefunden habe.
Eines der
Magazine stammte aus dem Jahr 2011 und enthielt einen kurzen
Artikel,in dem auf eine Umfrage Bezug genommen wurde, derzufolge nur
50% der Deutschen wissen, wer Mozart ist. Und der hat noch Glück
gehabt. Derselben Untersuchung zufolge hatten nur 23% der Bevölkerung
eine Ahnung, wer Bach war. Das erschien mir da doch reichlich
seltsam. Ich konnte und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen,
dass die Hälfte der Bevölkerung im Umkehrschluss nichts mit dem
Namen Mozart verbinden könnte, außer vielleicht diese kleinen
schokoladeüberzogenen Marzipanpralinen. Also setzte ich mich an den
Rechner und suchte mir die Umstände dieser Umfrage zusammen.
Ich muss ganz
ehrlich gestehen, dass ich im Kindergarten einmal gefragt wurde, ob
ich denn wisse, wer Mozart sei und im Brustton der Überzeugung
antwortete, das sei ein Wunderkind gewesen, das mit 5 Jahren bereits
Klavier und Geige spielen, sowie autofahren konnte. Gut, ein kleiner
Treffer war dabei, aber von der Sache mit dem Autofahren ließ ich
mich trotz mehrfacher Belehrung durch die pädagogischen Fachkräfte
nicht abbringen. Ich gebe zu, ich konnte sehr halsstarrig sein.
Jedenfalls
stellte sich die Sache mit der Umfrage letzten Ende als halb so wild
heraus. Man hatte die Leute in dieser Untersuchung lediglich gebeten,
einen klassischen Komponisten zu nennen, und 50% hatten eben den
Namen Mozart angegeben, was eigentlich nur bedeutet, dass der halben
Bevölkerung dieser Name eben zuerst einfällt, wenn sie an
klassische Musik denken. Hätte jemand Michael Haydn genannt, oder
Leoš Janáček, so hätte dies ja nicht bedeutet, dass er keinen
Plan von Mozart hätte, es ist ja schließlich nicht so, dass das Gehirn immer nur
Platz für einen Namen lässt und mit dem Abspeichern eines neuen den
alten Namen aus dem Speicher in den Papierkorb verschiebt.
Sonst
wüssten tatsächlich nur 23 % etwas mit dem Namen Bach anzufangen.
Gut,
ich kann mir durchaus vorstellen, dass man auf die Aussage, man sei
Bachforscher mit Rückfragen im Stil von “Und was machen Sie im
Winter, wenn die Bäche zugefroren sind?” rechnen muss, aber das
liegt ja wohl eher an der Namensgleichheit, und vielleicht noch an der
Tatsache, dass man sich mit nassen Bächen im Alltag häufiger
auseinandersetzen muss, als mit musikalischen. Zumindest, wenn man
kleine Kinder oder schlecht erzogene Hunde hält.
Ein
Viertel der Unter-30-jährigen findet das musikalische Erbe unserer
Gesellschaft übrigens uninteresant und hält den Musikunterricht an
Schulen für unwichtig. Wenn man davon ausgeht, dass diese
Altersgruppe einen Haufen Pflichtschüler mit einbezieht, die lieber
zuhause vor dem Fernseher, als im Musiksaal bei einer Klassenarbeit
säßen, wundert einen dieses Ergebnis wahrscheinlich auch nicht
besonders. Repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ist es meiner
Meinung nach nicht wirklich.
Tatsächlich
hatte ich im Laufe meiner eigenen Schulzeit aufgrund akuten
Lehrermangels fast ein ganzes Jahr lang überhaupt keinen
Musikunterricht, dafür aber Montags bereits so früh
Unterrichtsende, dass noch gar kein Schulbus fuhr, der uns hätte
nach Hause befördern können. Schulbusse fuhren nämlich erst ab dem
Ende der fünften Stunde, weshalb sich die Freude über die freie
Zeit, die man dann doch in der Schule verbringen musste, in Grenzen
hielt.
Ob
es unserer Allgemeinbildung geschadet hat, vermag ich nicht wirklich
zu sagen, wir waren ohnehin alle mitten in der Pubertät und in
höchstem Maße uninteressiert an allem, was uns in diesem Gebäude
erzählt wurde. Unser Lieblingsinstrument war der Pausengong das
einzige Streichinstrument, das wir sicher beherrschten, war ein
Malerpinsel und Vivaldi es geschafft hatte, das gesamte Händel zu
fressen, war uns ohnehin egal.
Generell
wundern mich, was die musikalische Allgemeinbildung anbelangt,
ohnehin andere Dinge: Kein Mensch kann jeden Komponisten oder jedes
Werk kennen, das schafft nicht einmal das MGG (Musik in Geschichte
und Gegenwart), für das man immerhin je nach Ausgabe bis zu 6000
Euro berappen darf, und dass nicht jeder über die Funktion von Vor-
und Versetzungszeichen, oder die verschiedenen Notenschlüssel im
Bilde ist, ist ebenfalls klar. Wer kein Instrument spielt oder singt
(und ich meine damit nicht, ein paar Songs aus dem Radio mitzubrummen
oder bei der Arbeit vor sich hinzusingen), der kommt mit diesen
Dingen im Alltag auch nicht wirklich in Berührung. Aber wenigstens,
was ein Lied ist, sollte man meiner Ansicht nach irgendwie wissen.
Vielleicht nicht den Unterschied zwischen Volks- und Kunstlied, Songs
oder Gospels, aber wie oft ich (nach dem Motto “Du musst das ja
wissen, ist ja Dein Gebiet”) nach “Liedern” gefragt werde, die
sich dann als Sinfonien, Streichquartette oder Violinsonaten
entpuppen, ist schon irgendwie bedenklich.
Versucht
man es dann mit der für mich einfachsten Erklärung “Wenn keiner
singt, ist es auch kein Lied!”, kommt garantiert irgendein
Klugscheißer um die Ecke, der mit hoch erhobenem Zeigefinger auf
Felix Mendelssohn Bartholdys “Lieder ohne Worte” verweist und an
welchen man den Ratsuchenden mit seiner Liederfrage dann aufatmend
verweisen kann. Diese beiden sind offensichtlich füreinander geschaffen worden und können
sich sicher noch stundenlang miteinander beschäftigen.
Eine
ganz andere, in meinen Augen viel interessantere Umfrage fand ich
übrigens in einem Musikerforum im Internet, bei der die “Top 20
Musiker aller Zeiten” gefragt waren.
Dort
lag der gute Wolfgang Amadé ganze 3 Plätze hinter Freddy Mercury
und Jim Morrison, allerdings wie bereits in der ersten Umfrage weit vor Johann Sebastian Bach, der
seinerseits nur noch vom letztplatzierten Michael Jackson gefolgt
wurde.
Wie
hieß es noch einmal so schön in dem wunderbaren Loriot-Sketch mit
dem Beethoven spielenden Altherrentrio? “Wenn Sie Unterhaltungsmusik
machen wollen, bitteschön! Aber Sie wissen ja, wo das hinführt:
Dann sitzen Sie eines Tages irgendwo in der Provinz und spielen
Bach!”
Dem Bach bekommt die Wärme nicht.... der Schneebach taut :)
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