Der Friedi... Eine Einleitung


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Es ist gar nicht so einfach, etwas Genaueres über den ältesten Sohn Johann Sebastian Bachs zu erfahren. Die meisten Biografien, die im Netz oder als Vorworte in Notenausgaben kursieren, sowie die kleine Handvoll Artikel, die 2010 zu seinem 300. Geburtstag erschienen, sind kurz und scheinen sich auf einen einzigen Artikel zu stützen, der im Grunde ausgewählte Fakten aus der MGG und ein paar ergänzende Punkte aus dem New Grove zusammenfasst (Morbus Wikipemimus, eine Zivilisationskrankheit, der ich als Lehrerin immer wieder begegne), ansonsten scheint das allgemeine Bild von Brachvolgels Roman “Friedemann Bach” oder -weit häufiger, so fürchte ich- von der Verfilmung desselben geprägt zu sein. Wie es ausgerechnet dieses Märchenbuch schafft, sich der breiten Masse immer wieder als Biografie zu verkaufen, ist mir ein Rätsel. Neben der Verfilmung wurde es ja auch noch “veropert” und meines Wissens zuletzt im Jahre 2012 neu aufgelegt.

Was schon mit einem falschen Geburtsjahr beginnt und einen Namen als den der Mutter nennt, der noch nicht einmal der falschen Bach-Frau, sondern der späteren Ehefrau Friedemans selbst gehört, lässt sich nach über 150 Jahren noch immer nicht vom Thron stoßen.
Die Verfilmung des Romans, der ein paar Lebensdaten mit einer fiktiven Entwicklung verknüpft, ist, um es freundlich auszudrücken, vom Zeitbild geprägt. Anders gesagt: Das Ding passt in die Nazizeit wie Uniform und Gretchenzopf. Zentrale Aussage des Bach- bzw. Machwerkes: Hätte er denn mal auf den Alten Herrn gehört und sei gründlich, ordentlich und in fester Anstellung geblieben, anstatt eigene, wilde Wege zu gehen wäre alles gut gewesen. Ausgerechnet. So als ob sein Herr Papa, der gute Johan Sebastian nicht höchstpersönlich jedem Lackaffen aus der Reichsmusikkammer auf den Schreibtisch gesprungen wäre, der auf die Idee gekommen wäre, ihm Vorschriften bezüglich seiner Kompositionen zu machen. Aber gut, das Bach-Bild geht ja ebenfalls mit der Zeit.
Wobei wir dann wahrscheinlich noch immer Motetten, Oratorien und ein paar sehr italienisch geprägte Opern hören würden, denn genau das haben die anderen Bachsöhne produziert. Mit weitaus mehr Erfolg, das muss man ihnen dabei allerdings zugestehen.

Carl Hermann Bitter hat 10 Jahre nach Erscheinen des Friedemann Bach-Romans noch einmal kräftig nachgetreten, und da haben wir es nun, das Friede-Bild des 19. und 20. Jahrhunderts: Den misratenen Alkoholiker, der nichts aus seinem Leben machte, außer das Erbe seines Vaters zu veräußern, um seinen Alkoholkonsum und sein haltloses Leben zu finanzieren. Und das haben die beiden dermaßen erfolgreich hinbekommen, dass heute noch Forscher sehr schnell mit der “Das wird er wohl verscheppert haben, als er wieder Kohle brauchte, der alte Suffkopp”-Erklärung anrücken, wenn es um die Frage nach verschwundenen Kantaten oder anderen Werken Johann Sebastians geht.
Während seiner Zeit in Halle, in der er erstmals Teile des Bach'schen Erbes durchbrachte, hatte Friedemann allerdings, wie viele andere auch, unter dem Siebenjährigen Krieg zu leiden, was übrigens eine der Gemeinsamkeiten darstellt, die er mit unzähligen Musikern der Geschichte teilen sollte: Finanzielle Probleme aufgrund von Kriegen zwingen Künstler nicht selten in die Knie, denn für vergnügliche Konzertabende bleibt selten Geld. Da sind Verkäufe von Notenmaterial einfach eine Möglichkeit, sich über Wasser zu halten. Dass noch niemand angefangen hat, in den Kellern ehemaliger Apotheken zu suchen, für den Fall, dass er auch noch ein paar andere Sachen konsumiert und die Musikalien gegen Opiate eingetauscht hat, wundert mich beiahe schon ein wenig. Vielleicht läge ja genau darin der Durchbruch in der Bachforschung. (Kalauermodus aus)

Noch ein Friedi... allerdings kein musikalisches Genie, sondern ganz einfach der friedlichste Kater der Welt. Zumindest solange keine Maus vorbeimarschiert.

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