Akkordbestimmung und Kadenzen, Grundverständnis
Und weiter geht es in der Theorie. Heute beschäftigen wir uns mal mit Akkorden und ihren Verdrehungen.
Akkordbestimmung und Kadenzen,
Grundverständnis
Unsere westliche
Musik ist auf ein System aus Akkorden aufgebaut, von denen die
wichtigsten miteinander verwandt sind. So wie man über die Mutter,
den Vater oder sonstwen enger oder näher verwandt sein kann, können
Akkorde, Töne oder ganze Tonarten über Quinten miteinander verwandt
sein. Diese Quintverwandtschaften treffen wir aber auch an jeder Ecke
an. Im Quintenzirkel, in Quintfallsequenzen, in Dreiklängen (in der
Grundstellung bilden der unterste und der oberste Ton eine Quinte)...
es ist ein bisschen so wie in der Stadt, in der ich einmal gewohnt
habe, in der jeder zweite Betrieb und auch sonst jeder, der etwas auf
sich hielt, den gleichen Nachnamen trug. Fast schon inzestuös,
dieses Tonsystem, vielleicht hat es ja auch gerade deshalb ein paar
seltsame Auswüchse, aber im Grunde hat man schon mal einen ganz
guten Stand, wenn man ein paar Leute aus der Familie kennt und im
Notfall heranziehen kann.
Quinten schnell zu
erkennen, hat also definitiv Vorteile.
Mit nur 3
quintverwandten Akkorden haben wir beispielsweise schon alle Töne
einer bestimmten Tonart abgedeckt und diese damit eindeutig bestimmt:
- Die I. Stufe einer Tonart, in der Funktionstheorie auch Tonika genannt, liefert beispielsweise bereits den Grundton, sowie die dazugehörige Terz und die Quinte. Bei C-Dur wären das beispielsweise c, e und g)
- Die Subdominante (sub = unten, denkt an Subway oder Submarine) befindet sich eigentlich eine Quinte unter der Tonika. Bei C-Dur wäre das der Akkord, der 5 Töne unterhalb des c, also bei f beginnt. Die Töne des Dreiklangs wären somit f,a und c (das c ist ein gemeinsamer Ton dieser beiden Akkorde). Da die meisten Instrumente irgendwann zu Ende sind, können wir uns nur leider nicht endlos in alle Richtungen aubreiten. Deshalb hat man sich darauf geeinigt, das nächsthöhere f zu nehmen, das eine Quarte oberhalb der Tonika liegt und den Akkord darauf genauso aufzubauen (f,a,c). Die Subdominante wird also auch als die IV. Stufe bezeichnet.
- Die V. Stufe, in der Stufentheorie Dominante genannt, liegt eine Quinte oberhalb der Tonika und baut auf deren 5. Ton auf (ja, das ist wieder so ein gemeinsamer Ton). In C-Dur wären wir also bei g, h und d.
- Folgende Töne haben wir also mittlerweile verarbeitet: c,e,g,f,a,h,d.Anders geordnet: c,d,e,f,g,a,h. Und damit wären alle leitereigenen (also nicht durch zusätzliche Vorzeichen erhöhten oder erniedrigten) Töne der C-Dur-Tonleiter abgefrühstückt.
Stehen diese 3
Akkorde in der Grundstellung nebeneinander, so sieht die Sache so
aus:
T = Tonika, S =
Subdominante, D = Dominante
Anmerkung: Da es
sich um Durakkorde handelt, werden auch die Funktionsabkürzungen
groß geschrieben. Bei einer Molltonart wären dies entsprechend t,s
und d.
Übrigens:
Befindest Du Dich in einer Durtonart, so sind neben der Tonika auch
die Subdominante und die Dominante in Dur.
Bei einer
Molltonart, sind owohl Tonika als auch Subdominante und Dominante in
Moll, weswegen man die Dominante „verduren“ muss, um eine
Dominante zu erhalten, die auch wirklich zum Schlussakkord (Tonika)
hin „zieht“. Dazu wird dann einfach die Terz der Dominante
erhöht.
Aus diesem Grund
hört man manchmal, Dominanten seien immer Dur, aber das sind sie in
einer Molltonart eben nur dann, wenn man sie dazu macht.
Und wozu soll das nun gut sein? Was
bringt mir eine Durdominante? Was hat sie, was eine Molldominante
nicht hat?
Ganz einfach: Die
Terz der Dominante (in unserem C-Dur-Beispiel wäre das der Ton h)
ist nur einen Halbtonschritt vom eigentlichen Grundton der Tonika
entfernt. Zwischen h und c liegt nur eine kleine Sekunde, und da Töne
gemeinhin stinkfaul sind, nehmen sie auf der Reise zum Folgeakkord
(in einer Kadenz wäre das wieder die Tonika, mit der ein Stück oder
ein Abschnitt zu ende geht) eben den kürzesten möglichen Weg.
Die Durdominante
will also viel eher „nach hause“ in die Tonika zurück, als eine
Molldominante, die erst mal seufzt und stöhnt, weil zwischen Terz
und Tonikagrundton ein kompletter Ganztonschritt zu überwinden ist.
In den Noten lässt
sich das relativ gut erkennen:
Die rote Linie ist
die Richtung, in die sich das h auflöst. Zum c ist es nur ein
Halbtonschritt, daher will es dort viel eher hin, als zum a, was
einem Ganztonschritt entsprochen hätte (und auch gar nicht in die
C-Dur-Tonika passt). Somit ist das h also ein Leitton zum Grundton der
Tonika.
Ein b mit einer
Tendenz nach unten zum a hätte eher einen Umweg über die
Tonikaparallele (also a-Moll) bedeutet, aber momentan sprechen wir
noch von ganz einfachen Kadenzen und machen uns keinen Kopf um
irgendwelche verwirrenden Irrfahrten.
Das g hat es hier
übrigens am leichtesten, es ist ja ohnehin Teil des Tonikadreiklangs
und kann daher ganz einfach liegenbleiben.
Ein Leitton ist also ein Ton, der
einen besonders kurzen Weg zu einem anderen Ton nehmen will?
Fast. Ein Leitton
zieht tatsächlich auf dem kürzesten Weg zu einem anderen Ton,
allerdings ist seine Richtung aufwärts. Einen Ton, der einen Halbton
nach unten zu einem wichtigen Ton möchte, nennt man Gleitton.
Dann hat es ein Gleitton leichter
als ein Leitton, denn der kann quasi nach unten rutschen, während
der Leitton nach oben klettern muss?
Vermutlich. Sollte
man euch vor eurem nächsten Leben fragen, ob ihr lieber ein Leit-
oder ein Gleitton werden wollt, werden die Fitnessfanatiker
wahrscheinlich ein Leben als Leit-, die Couchpoatoes dagegen ein
Dasein als Gleitton wählen. Aber dazu wird es vermutlich nicht
kommen.
Nun aber noch mal
zu den drei so genannten Hauptfunktionen: Der Tonika, der
Subdominante und der Dominante. Abgesehen davon, dass diese drei
Gestalten gemeinsam alle Töne einer Leiter enthalten und eine Tonart
daher ziemlich deutlich bestimmen (aus diesem Grund muss man
eigentlich auch immer eine Kadenz (das sind diese drei Funktionen in
der Kombination) bringen, wenn man in eine neue Tonart moduliert,
sonst verliert der Hörer irgendwann den Überblick, in welcher
Tonart er sich befindet), kann man mit ihnen auch so ziemlich jedes
einfach gestrickte Lied harmonisieren.
Wo und wann die
jeweilige Funktion ins Spiel kommt, ist dabei ziemlich wichtig.
Grundsätzlich
kann man sich folgendes merken: Die Tonika ist die wichtigste
Funktion, da sie den Grundton festlegt. Sie hat also somit quasi das
letzte Wort und eine schließende Wirkung. Daher steht sie am Ende von
Abschnitten und natürlich ganz besonders am Ende des ganzen Stücks.
Wenn man eine
Tonart bestimmen will, ist daher der Blick auf den Schlussakkord
immer besonders wichtig. Am Anfang kann es nämlich auch mal zu
Auftakten mit Quartsprüngen, irgendwelchen lustigen Ein- oder
Überleitungen oder sonstigen Spielereien kommen. Ist die Tonika das
erste Mal erreicht, geht das Stück aber auch gefühlt richtig los.
Abschnitte, die
auf der Tonika enden (also ehe beispielsweise eine neue Melodie
einsetzt oder wenn eine Strophe zu ende ist), nennt man daher
Ganzschluss.
Abschnitte, die
auf der Dominante enden, haben keine derart schließende Wirkung. Im
Grunde sind sie wie ein Komma in einem Satz, es it zwar irgendwie ein
Einschnitt vor einer neuen Information, aber eben doch noch nicht zu
ende. Solche Schlüsse, Halbschluss genannt, finden wir daher gerne
vor einer Wiederholung eines Abschnittes.
Wollen wir
„endgültig Schluss machen“, empfiehlt sich eine Vollkadenz, in
der einfachsten Form also Tonika, Subdominante, Dominante und wieder
die Tonika.
Das hatten wir
bereits hier:
Wie immer, wenn
man glaubt, alles verstanden zu haben, meldet sich dann aber doch noch irgend ein Idiot
aus der letzten Reihe und bringt einen Einwand, der die ganze
Geschichte ins Trudeln bringt. Irgendeinen Haken haben die Sachen ja
immer.
In diesem Fall
hängt es an der sogenannten Stimmführung: So, wie die Akkorde hier
aufgebaut sind, können wir sie nämlich nicht hintereinander stehenlassen.
Die Töne an sich
sind zwar richtig und müsen auch so bleiben, aber einfach den
gesamten Akkord in seiner einfachsten Stellung hin und her zu
verschieben, das ist nicht nur stinklangweilig (und klingt auch so),
sondern auch unnötig schwer für denjenigen, der die ganze Sache
spielen und auf dem Instrument hin und herspringen muss, als hätte
er Springbohnen statt Finger.
Außerdem haben
wir bereits gesagt, dass Töne gerne einen kurzen Weg nehmen, was im
obigen Beispiel ja nun wirklich nicht der Fall ist. Da geht es schon
mal eine ganze Quarte oder Quinte hin und her. Es hilft nichts, da
muss umorganisiert werden.
Die Regeln dafür,
wie wir genau fortschreiten müssen, werde ich in einem Posting zum
Thema Stimmführung aufführen. Zunächst einmal schauen wir uns aber an,
wie wir die Töne innerhalb der Akkorde überhaupt sortieren können.
Wie wir die Töne
innerhalb unserer Dreiklänge aufeinanderstapeln, ist nämlich für die Frage nach dem Akkord an sich so ziemlich
egal. Solange sich die Töne an sich nicht ändern, dürfen wir sie
verdrehen wie wir wollen.
In unserem C-Dur
Akkord müssen also einfach nur die 3 Töne c, e und g enthalten sein. Die
Reihenfolge ist dann erstmal schnurz.
Die folgende
Darstellung zeigt mögliche Anordnungen eines C-Dur Dreiklangs, wobei
jedesmal das c blau, das e grün und das g rot markiert wurde.
Möglich sind unzählige Anordnungen, sinnvoll sind weit weniger
davon und interessant für uns sind eigentlich nur die ersten drei.
Wenn es unzählige
C-Dur-Akkordvarianten gibt, woher weiß ich, welche ich vor mir habe?
Im Grunde gibt es
nur 3 wirkliche Lagen. Alles andere sind Variationen davon, bei denen
die eine oder andere Oktave zwischengeschoben wurde.
In der
Grundstellung ist der höchste notierte Ton das g, und das liegt eine
Quinte über dem Grundton c. Wir sprechen somit von der Quintlage.
Grundsätzlich
funktionieren Akkordumkehrungen immer durch Umschichtungen nach oben.
Zur ersten
Umkehrung werfen wir den Akkordgrundton (das wäre bei einem
C-Dur-Akkord das c) eine Oktave nach oben. Vom Grundton zum obersten
Ton haben wir also eine Oktave. Daher heißt diese Lage auch
Oktavlage.
Bei der zweiten
Umkehrung machen wir dasselbe. Wir nehmen den Grundton (also in
diesem Fall wieder das c) – und dabei immer das c, das dem obersten
Ton am nächsten ist (also bitte nicht das allertiefste c nehmen, das
ihr euch vorstellen könnt und dann beispielsweise eine Dezime zum e
zählen...)- und bestimmen das Intervall bis zum obersten Ton:
Das c (hier rot
markiert) muss also eine Terz hinaufklettern, um beim obersten Ton
(dem e) anzukommen.
Die Schlaumeier
unter euch wissen es also längst: Wir haben es mit einer Terzlage
zu tun.
Gibt es auch eine dritte Umkehrung?
Das ist vermutlich
Ansichtssache. Theoretisch kannst Du Deinen Akkord umdrehen, so oft
Du willst, aber es ergibt sich dadurch keine neue Stellung, denn wenn
ich jetzt das g auch nach oben packe und auf das e schichte, erhalte
ich wieder dieselbe „Schneemann“-Konstellation mit der Quintlage
wie zu Beginn. Nur eben eine Oktave weiter oben.
Das hier sind also
alles Grundstellungsakkorde in der Quintlage. Leider ist nur der
Begriff „Lage“ ein bisschen strapaziert, da man ihn in allen
möglichen Zusammenhängen gebraucht. Ob man sich nun z.B. in einer
hohen oder tiefen Lage auf dem Klavier befindet oder die Töne sehr
weit auseinanderliegen (weite Lage) oder man nach der Klausur merkt,
dass man den falschen Notenschlüssel gesetzt hat (ziemlich
unangenehme Lage), hat mit den 3 Lagen der Umkehrungen nichts zu tun.
Was mache ich also, um aus einem
Notenknäuel einen Akkord zu bestimmen?
Das ist im Grunde
ein 3-Schritte Programm:
- Noten so sortieren, dass sie in der Grundstellung stehen, dann lässt sich der Grundton am einfachsten bestimmen und ich sehe, ob es sich überhaupt um einen normalen Dreiklang handelt.
- Den Akkord bestimmen (Was ist der Grundton? Ist es ein Dur- oder ein Mollakkord?
- Die Lage bestimmen (vom Grundton aus das Intervall zum obersten notierten Ton bestimmen). Und natürlich macht ihr das vom ursprünglichen Akkord aus, nicht bei eurem vorsortierten Grundstellungsakkord, denn da habt ihr die Lagen ja alle geändert.
Nur mal so zur Sicherheit... bei
einem Dur-Akkord habe ich unten die große und oben die kleine Terz
und bei einem Mollakkord ist es andersherum?
Ja, genau. Nimm
Dir nen Keks.
Gibt's Übungen?
Aber klar. Viel
Spaß beim Sortieren, die Lösungen finden sich beim Runterscrollen.
Bei weiteren
Fragen oder Anregungen würde ich mich über Nachrichten, Kommentare
oder auch persönliches Anquatschen freuen.
Lösungen:
- Töne: e,g,h → e-Moll.Höchster Ton: hVon e → h = Quinte→ e-Moll, Quintlage
- Töne: d, fis, a → D-Dur.Höchster Ton: fisVon d → fis = Terz→ D-Dur, Terzlage
- Töne: c, es, g → c-Moll.Höchster Ton: esVon c → es = Terz→ c-Moll, Terzlage
- Töne: f, a c → F-Dur .Höchster Ton: aVon f → a = Terz→ F-Dur, Terzlage
- Töne: a, c, e → a-Moll .Höchster Ton: aVon a → a = Oktave→ a-Moll, Oktavlage
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