Blogparade: Musikalische Auswanderung
Schon
wieder eine Blogparade... dabei passen diese Bloggerveranstaltungen
eigentlich höchst selten zu einem Blogthema wie meinem, aber diese
Idee hat mich tatsächlich ein bisschen herausgefordert. Und dabei
ist die ganze Sache eigentlich schon längst vorbei: Maribel
Skywalker warf Anfang des Jahres die Frage nach Lieblingsmusik auf,
die nicht der gängigen Sprachauswahl bei Songs oder Liedern
entspricht. Musikalische Auswanderung nannte sie das Projekt, bei dem
andere Blogger ihre Lieblingsmusik mit Texten in außergewöhnlichen
Sprachen nennen sollten. Da das Ganze auf Hörer eigentlich moderner
Musik in deutschsprachigen Ländern gemünzt war, bedeutet
„außergewöhnlich“ in ihrem Fall alle Sprachen außer Deutsch
und Englisch, womit eben die meisten Songs entfallen, die man zu hören
bekommt, wenn man einen gängigen Pop- oder HipHop-Sender im Radio
einstellt. Maribels Beitrag findet sich hier, anbei auch eine
Liste der Blogger, die sich im Januar an der Aktion beteiligt haben.
Das Fröken kommt wie üblich ein paar Monate später vorbeigetigert,
hat aber ebenfalls Musik im Gepäck und macht sich daran, sich der Herausforderung zu stellen.
Kein
Deutsch und kein Englisch also...nun, was für einen Rocker
vielleicht eine tatsächliche Herausforderung sein mag, kann einem
Klassikblogger nur ein müdes Lächeln entlocken. Wer klassischen
Gesang studiert, hat Italienischkurse an der Hochschule, so
verbreitet ist die Sprache in unserem Milieu. Selbst Mozart ließ den
einen oder anderen latent ausländerkritischen Spruch vom Sockel,
weil er sich im eigenen Land schwertat, eine Anstellung oder einen
Auftrag an Land zu ziehen. Wo immer er auch hinflitzte: Überall saß
bereits ein Italiener, prostete ihm mit seinem Spumante zu und rief
"Ück bün schon da!". Oder besser: "Sono già qui",
was so ungefähr demselben entspricht. Fast alle Opern der Zeit waren
Italienisch, egal, wer sie verfasste. Georg Friedrich Händel läutete
mit seinem "Messias" praktisch einen neuen Trend ein, in
dem endlich einmal nicht italienisch gesungen wurde und die Leute
auch verstanden, worum es eigentlich ging. Sofern sie keine Italiener
waren, selbstverständlich. In Italien hätte die Methode vermutlich
wenig gefruchtet. Und in welcher Sprache singen sie nun, der Messias und
seine Kollegen? Auf Englisch natürlich, denn Händel hatte sich zu
dieser Zeit bereits endgültig auf der anderen Seite des Kanals
niedergelassen. Fällt somit also auch flach, der Erlöser, denn Englisch
ist ja verboten in diesem Blogpost und italienisch verbiete ich mir
aus naheliegenden Gründen selbst; es wäre ganz einfach
witzlos, das Ganze dann noch als "Auswanderung" verkaufen
zu wollen.
Ich als Bachstelze
könnte mich ja jetzt noch selbst behumpsen und die lateinische
Sprache wählen, aber auch die ist für die eigentlichen Zwecke
dieser Blogparade ungeeignet, denn damit begäbe ich mich auch wieder
nicht auf Neuland. Wir halten also fest:
- Kein Deutsch
- Kein Englisch
- Kein Italienisch und
- Kein Latein.
Bliebe theoretisch der Blick
nach Frankreich mit Lully und Co, oder aber wir schweifen
eben tatsächlich ein bisschen ab von den Sprachen, die wir
tagtäglich so zu hören bekommen und wenden uns dem Volksliedgut zu.
„Llwyn Onn” ist so ein Lied, das ich immer irgendwie geliebt und
als Kind und Jugendliche jahrelang im Ohr gehabt habe. „Llwyn Onn”
ist übrigens walisisch, bedeutet so viel wie „Eschenhain“ und
ist dem einen oder anderen möglicherweise in der englischen
Übersetzung unter dem Titel „The Ash Grove“ bekannt, die in der
Folk-Song-Arrangements-Sammlung von Benjamin Britten erschien und das
Lied recht schnell überregional populär machte.Textlich ist es, wie
irgendwie alle derartigen Lieder recht schnell erklärt: Spätestens
in der letzten Strophe (im Falle von „The Ash Grove“ sind das
gerade mal zwei Stück) ist die Holde tot und der Protagonist schwört
ewigen Kummerspeck. Die Melodie dazu ist allerdings wunderschön und
wer die Bildhaftigkeit der Walisischen Sprache mag (viele Begriffe
sind aus Einzelwörtern zusammengesetzt und beschreiben die Sache
aufs Trefflichste: „Fusselpflaume“ ist beispielsweise die
ungefähre Übersetzung für „Pfirsich“ und „Meergrille“ für
„Ameise“) wird das Lied wahrscheinlich lieben. Somit sollte ich
es also einfach verlinken und den Fall für abgeschlossen erklären.
Wenn...ja, wenn ich denn eine halbwegs nette Version davon auf einer
gängigen Plattform fände. Und genau da fängt die Sache an,
schwierig zu werden.
Sofern man auf der
Suche nach einer reinen Instrumentalversion ist, die ein
Gitarreschüler auf seiner Klampfe mehr schlecht als recht
herunterzupft, kann man sehr schnell fündig werden. Auch die
englische Übersetzung, aus unerfindlichen Gründen grundsätzlich
von Opernsängern bei irgendwelchen Feierlichkeiten herausgeknödelt,
findet sich recht häufig, aber Leute... das ist ein Volkslied! Kein
Kunstlied. Und erst recht keine Arie. Der Charme eines Volksliedes
liegt nun mal in der Einfachheit, die es eben jedem Volksmitglied
ermöglichen sollte, wenigstens ein bisschen mitzubrummen, wenn man
schon die Koloraturen der Callas-Imitatorin aus dem Nebenhaus
überlässt. „Llyn Onn“ und ein Herr Jammersänger mit
Jodeldiplom...das ist wie „Alle meine Entchen“ in einem
Arrangement für ein Orchester von wagnerianischen Ausmaßen.
Einfacher ausgedrückt: Es ist blöd.
Und dann gibt es
noch die Chöre, die in der Heimatgemeinde die Sprachpflege
wiederbetreiben. Irgendeinen harmlos klingenden Erstnamen haben sie
immer, doch dann folgt mit ziemlicher Sicherheit das Wort, das das
Grauen verkündet: Meibion.
Nichts
gegen die Heimatchöre, aber wenn bei den Interpreten der
begriff „Meibion“ steht, meide ich die linke Maustaste zumeist
wie Dracula eine Schale Tsatsiki. Meibion bedeutet nämlich „Jungs“,
was heißen will: Sofern es sich nicht um eine Kantate oder ein
ähnliches Stück handelt, das ausdrücklich für mehrstimmigen
Knabenchor geschrieben wurde, wird man bei „Meibion“ in
Verbindung mit Volksliedern zumeist Versionen finden, bei welchen die
Kackbratzen...sorry, „Knaben“ meinte ich natürlich, offenbar
einen Gutschein für ein Eis bekommen, für jede Oma, die sie mit
ihrem Gewimmere zum heulen bringen. Und dann wird es schon ziemlich
dünne, was die möglichen verlinkbaren Aufnahmen angeht.
Springen
wir also aufs Festland zurück und sehen wir uns dort um... am
besten, wir beginnen möglichst weit oben und arbeiten uns dann nach
unten vor (na gut, wirklich besser als von unten anzufangen ist es
nicht, aber irgendwo muss man ja schließlich anfangen, nicht wahr?).
Ganz
oben hätten wir beispielsweise Norwegen mit Edvard Griegs Peer
Gynt...Solvejgs Sang wäre eine Verlinkung wert, ist aber auch nichts wirklich Außergewöhnliches, zumal Grieg ob seiner eingängigen Melodik mittlerweile leider ziemlich abgenudelt ist. Irgendwie scheint er sich für Kinderfilme und Margarinewerbung ausgesprochen gut zu eignen. Sogar im Tal der Schlümpfe darf zu seinen Tönen ( der "Morgenstimmung" nämlich) die Sonne aufgehen und all die langhaarigen überschminkten Damen, die sich nicht ganz sicher sind, ob sie sich nun eher der Heavy-Metal- oder der Klassikszene zugehörig fühlen, haben Solvejg schon einmal in die Blindheit und die Zuschauer in die Taubheit begleitet. Schade eigentlich um ein grundsätzlich sehr schönes Stück Musik. Wir stellen also fest: Europa hat eine musikalische Verjüngungskur nötig. Frische DNA sozusagen, die sich mit dem musikalischen Erbe des (fast hätte ich das böse Wort geschrieben, das mit A beginnt und mit bendlandes endet :) )vermischt. Wie sieht es denn beispielsweise in Südamerika aus? Meinen Argentinischen Großonkel muss ich leider aus dem Rennen nehmen,auch wenn er als Komponist und Organist eine Menge Werke hinterließ, doch seine musikalischen Wurzeln liegen irgendwie recht eindeutig in der Steiermark. Mauricio Kagel ging den Weg in die umgekehrte Richtung: Von Buenos Aires nach Köln und er hat sich mit seinem Anagrama tatsächlich einen Platz in meiner "Ich verstehe kein Wort, aber ich mag das Stück trotzdem"-Liste verdient. Verlinkungen finden sich übrigens alle unter dem Beitrag. Auch der Osten hat ein paar ungewöhnliche Dinge zu bieten, wenngleich ich ein halbes Jahr mit einem großen Fan der Peking-Oper zusammenarbeitete und klar zugeben muss, dass ich froh war, als die Zusammenarbeit beendet war. Er selbst war (und ist es hoffentlich noch immer) Chinese, der Sprache somit mächtig und mit den Grundlagen der Musik vertraut, für mich, die kein Wort verstand und daher niemals zuordnen konnte, worum es eigentlich gerade ging, klang das Ganze, besonders wenn es im Hintergrund lief, immer ein wenig nach einem Tierquäler, der bei seinen Aktionen ein Tonbandgerät mitlaufen ließ. Wer auf diesem Gebiet bewandert ist, darf mich aber gerne mit der Schönheit dieser Musik vertraut machen. Nur ohne Anleitung fand ich sie schwer begreiflich.
Ehe ich diesen Post nun beende, möchte ich allerdings noch einen kleinen Abstecher auf den afrikanischen Kontinent machen und bei dieser Gelegenheit auf ein Werk hinweisen, das ich wirklich sehr liebe: Der amerikanische Minimalist Philipp Glass schrieb gemeinsam mit dem aus Gambia stammenden Komponisten Foday Musa Suso die Musik zu dem während der französische Kolonialzeit in Algerien spielenden Theaterstück „The Screens“ des französischen Dramatikers Jean Genet, das während eines Aufenthaltes in Griechenland geschrieben wurde und seine Premiere in Stockholm feiern durfte. Internationaler geht es nun wirklich nicht mehr, oder? Und schön ist die Musik auch. Und genau das ist der dritte Link, den ich hiermit geben möchte:
Ehe ich diesen Post nun beende, möchte ich allerdings noch einen kleinen Abstecher auf den afrikanischen Kontinent machen und bei dieser Gelegenheit auf ein Werk hinweisen, das ich wirklich sehr liebe: Der amerikanische Minimalist Philipp Glass schrieb gemeinsam mit dem aus Gambia stammenden Komponisten Foday Musa Suso die Musik zu dem während der französische Kolonialzeit in Algerien spielenden Theaterstück „The Screens“ des französischen Dramatikers Jean Genet, das während eines Aufenthaltes in Griechenland geschrieben wurde und seine Premiere in Stockholm feiern durfte. Internationaler geht es nun wirklich nicht mehr, oder? Und schön ist die Musik auch. Und genau das ist der dritte Link, den ich hiermit geben möchte:
Zunächst
darf Solvejg jedoch noch eine Runde ihrem ständig untreuen Peer
hinterherjammern (Ganz ehrlich: Vom Frauenstandpunkt her kann ich
diese Dame nur bitten, sich therapieren zu lassen. Aber erst darf sie
noch ein bisschen singen, das kann sie nämlich ziemlich gut)
und
zu guter Letzt kommen wir hier zu Musik aus „The Screens“. Leider habe ich kein
Stück mit Gesang gefunden, aber ich kann versichern: Die Anschaffung
der CD lohnt sich in jedem Fall.
Nein, das ist nicht Peer Gynt, obwohl er auch ganz gerne mal ausfliegt :)
Glorias Balkonszene. Unten steht allerdings leider kein Romeo.
Hey du! der Post und auch dein Blog sind echt wunderschön *-*
AntwortenLöschenIch mag es total wie du schreibst!
Vielleicht hast du ja Lust bei meiner Blogvorstellung mitzumachen?
http://streetstylefashiion.blogspot.de/2015/04/blogvorstellung-5-monate-blogger.html
Ich würde mich sehr freuen!
Liebste Grüße deine Elsa ❤️
Danke, das freut mich, wenn es Dir gefällt! Die Vorstellungsrunde hab ich leider verpasst, sorry. Aber es finden sich sicher noch weitere Gelegenheiten zur Zusammenarbeit!:)
LöschenHallo du liebe. Es tut mir so leid, dass ich mich bisher nicht hier drauf gemeldet habe, aber ich habs einfach nicht gesehen.. deswegen warst du auch nicht bei der Sammlung mit drin, aber ich werde dich einfach noch nachträglich reinpacken :)
AntwortenLöschenWenn du das nächste Mal mitmachst den Link am besten unter den jeweiligen Themenpost schreiben, sonst seh ich das einfach nicht und ich muss mir das alles nicht so zusammensuchen. Hoffe das verstehst du :)
Ich hab mich aber eben riesig über deinen Beitrag gefreut, als ich es beim Updaten der Seite entdeckt hab. Gerne immer her mit deinen Beiträgen zum Projekt!! ♥
Mache ich, liebe Maribel! Und ich mache sicher auch gerne wieder mit! So eine Blogparade macht immer viel Spaß, weil man sonst ja selten mit einem vorgegebenen Thema arbeitet :)
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