Warum es die Oper gar nicht geben dürfte - Teil1: Die Monodie
Dies ist der erste
Teilschritt in der Entwicklung der Oper im 16. Jahrhundert.
Folgepostings verlinke ich, sobald sie fertig sind.
Manchmal hat man es nicht so einfach in der Musikwissenschaft. Vor allem dann, wenn es die eigentlich in dieser Form noch gar nicht gibt, keinerlei Datenbanken existieren und auch sonst niemand weiß, worauf er eigentlich zurückgreifen soll.
Der Lituusnachbau war so ein Problem. Da waren weder Aussehen, noch Art des Instrumentes, Material oder irgendeine Beschreibung des Klanges bekannt. Man kannte lediglich den Namen des Instrumentes und ein paar Töne, die das Ding auf jeden Fall draufhaben musste. Bei der Echoflöte ist das ziemlich ähnlich, da weiß man nicht einmal mit Sicherheit, ob das überhaupt ein eigenes Instrument ist, oder nur eine andere Bezeichnung für irgendein anderes bekanntes Blasinstrument. Will man Musik aber historisch genau spielen, sollte man schon irgendwie wissen, was man sich da so zwischen die Lippen drücken muss.
Im Grunde ist es ein bisschen so, wie in dieser Szene aus dem ersten Ice-Age-Film, in dem sich eine Gruppe Urvögel aufmacht, die nächste “Milliarde” Jahre Eiszeit unter der Erde zu überleben. Und sie haben 3 Melonen.
So ähnlich müssen sich die Mitglieder der beiden Gruppen gefühlt haben, die später unter dem Namen “Florentiner Camerata” zusammengefasst wurden: Die Gruppe um den Grafen Bardi (1570er und 1580er Jahre) und die um Corsi (etwa 10 Jahre später).
Sie hatten sich zusammengefunden, um (ganz im Zuge der Renaissance) das antike griechische Drama wiederzubeleben und von dem abzugrenzen, was zur ihrer Zeit (wir sprechen von der Mitte des 16. Jahrhunderts) auf den Bühnen gezeigt wurde: Sprechtheater. Das ging ja schon mal irgendwie gar nicht, denn in den antiken Dramen war immer von “Chören” die Rede gewesen. Und Chöre singen ja bekanntlich. Außerdem, so war man sich einig, sei in den Theaterstücken der alten Griechen nicht gesprochen, sondern quasi “gerappt” worden. In einer Art Sprechgesang mit ein bisschen auf und ab in der Stimme, um dem ganzen mehr Nachdruck zu verleihen. Dass das aus heutiger Sicht eine Fehleinschätzung war und Chöre auch nicht zwangsläufig singen müssen, spielte für die Entwicklung der Monodie (und damit der späteren Arie) erst mal keine Rolle.
Tja, was hatte man
noch so zu liefern, aus dem man ersehen konnte, wie der Gesang
ausgesehen haben könnte? Bilder antiker Sänger, wie sie auf alten
Vasen und anderen Geschirrteilen abgebildet waren. Und davon gab es
eine ganze Menge. Wie genau sie sangen blieb natürlich Spekulation,
aber worauf sie sich begleiteten, das konnte man sehen: Auf der Lyra
nämlich, dem antiken Leierinstrument.
Und so ein antiker
Sänger mit einer einzelnen Lyra machte klar: Die sangen einstimmig
und am besten mit einer ganz einfachen Begleitung. So musste es also
sein. War ja irgendwie auch logisch, denn so konnte man wenigstens den Text
ordentlich verstehen, was bei der bisher populaäen mehrstimmigen (und sogar mehrtextlichen) Franko-Flämischen Vokalpolyphonie schon längst nicht mehr der Fall war, da wurde aus Gottes Wort ganz schnell Gottes Genuschel (was der Kirche selbst von Zeit zu Zeit selbst ein Dorn im Auge war). Die alten griechischen Texte waren in Form der atiken Dramen massenhaft überliefert, so dass man genug Stoff hatte, an dem man sich austoben konnte, dazu noch ein bisschen schauspielerisches Gehabe und fertig war so etwas wie ein Opernrezitativ. Ein Rezitativo Secco, also “trocken”, mit Basso Seguente, bzw später dem sich daraus entwickelnden Basso Continuo als Begleitung, in diesem Fall sogar furztrocken, denn über einen ganzen Opernabend hin hält man das wahrscheinlich im Kopf nicht aus. Jedenfalls hatten sie damit einen “neuen” Musikstil geschaffen: Die Monodie. Und den Generalbass (Basso Continuo) als Begleitung gleich mit dazu, denn irgendwie wollten sie auf ein paar begleitende Akkorde doch nicht ganz verzichten.
Quizfrage: Was
unterscheidet Cameratamitglied Vincenzo Galilei von Produzent Dieter
Bohlen? Gallilei bastelte etwas ganz neues und verkaufte es seinen
Zeitgenossen als etwas uraltes, und Bohlen bastelt ein paar alte
Sachen zusammen und verkauft sie als etwas neues. Soviel zu den
Kalauern für heute.
Galilei (ja, die
sind verwandt, Vincenzo ist, bzw. war der Vater von Galileo Galilei)
war wohl einer der ersten, die sich auf dem neuen Gebiet der Monodie
voranwagten (Mono heißt übrigens “einer/eine” und Die kommt von
“Hodein” und bedeutet “singen” → “Einer singt” also.
Treffender konnte man es wohl kaum beschreiben. Wenn zwei singen
(sich also ein Duett liefern) nennt man dies allerdings (leider)
nicht “Stereodie”.. schade eigentlich, das wäre ein so cooles
Wort gewesen ). Er schnappte sich Passagen aus dem alten Testament
(das schien ihm wohl gerade alt genug zu sein), sowie Texte von Dante
Alighieri (1265-1321), dem Dichter der Göttlichen Komödie, und
bastelte daraus die ersten bekannten Monodien, die jedoch allesamt
flöten gegangen sind (und das, obwohl gar keine Flöten darin
vorkamen, sondern Violen (Gamben), die die Continuobegleitung
übernahmen).
Die
Mitglieder der anderen Gruppe (die um Corsi) machten bei den “neuen
alten Gesängen” nicht halt, sondern veruchten, gleich das ganze
Drama wiederzubeleben und stellten gegen 1597/1598 eine “favola
drammatica” auf die Beine, die der Zusammenarbeit dreier Herren
entstammte: Ottavio Rinuccini als Dichter lieferte die Textvorlage
und die beiden Musiker Jacopo Peri und Giulio Caccini schufen die
Musik dazu, die allerdings ebensowenig erhalten ist, wie die Monodien
Galileis. Was bleibt ist allerdings die Textvorlage und eine
Zusammenarbeit zwischen den drei Schöpfern, die sich fortsetzen
sollte. Rinuccini bastelte mit “Euridice” ein weiteres Libretto
und trat damit eine bis in unser Jahrhundert fortgeführte
Orpheus-Manie in der Oper los. Etwa 70 Opern mit diesem Thema sind
weitläufig bekannt (die jüngste mir bekannte, Ricky Ian Gordons
“Orpheus and Euridice” ist aus dem Jahr 2005), weitere Stücke,
die den Orpheus-Mythos in irgendeiner Form zum Thema haben, werden
einem bei der Suche wahrscheinlich eher nachgeworfen, um endlich mal
Platz in den Regalen der Archive zu bekommen).
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