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Es werden Posts vom 2016 angezeigt.

Was erwarten wir eigentlich? Was bleibt im Ohr, wenn wir Musik hören.

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Wir nutzen nur 10% unseres Gehirns. Zumindest hört man diesen Spruch immer wieder. Und so ganz verkehrt ist er eigentlich auch gar nicht, nur fehlt eben eine wichtige Information: gleichzeitig. Anders gesagt: Ich nutze auch immer nur 10% meines Kleiderschrankinhaltes, da 3 übereinandergezogene Winterjacken den Bewegungsradius der Arme empfindlich einschränken und mir zudem zu warm sind. Das heißt aber doch nicht, dass ich die restlichen 90% der Wohlfahrt spenden könnte. Zumindest nicht, solange ich nicht vorhabe, in Zukunft nur noch auf Kostümreitveranstaltungen teilzunehmen und mir jedesmal als „Dame im Abendkleid“ die Oberschenkelinnenseiten wund zu reiten, oder im Schneeanzug zum Baden zu gehen. Selbst die selten genutzten Bereiche meines Kleiderschrankes sind mir genauso heilig wie die selten genutzten Bereiche meines Gehirns (das sind die, mit denen man Steuererklärungen korrekt ausfüllen und in den richtigen Augenblicken die Ruhe bewahren kann). Und die Tatsache,

So langsam wie möglich: John Cage in Halberstadt

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Über John Cage, den Doctor Who der Musik, kann man ja viel sagen. Gutes und Schlechtes, abhängig vom eigenen Geschmack und dem Willen, auch außergewöhnliche Weltanschauungen zuzulassen. Man kann ihm krankhaften Provokationsdrang vorwerfen, Unbezähm- und Unbelehrbarkeit, man kann sogar an seinem Verstand zweifeln. Nur eines kann man ihm wohl nicht ankreiden: Das Bandwagon- Syndrom; das mainstreamgeprägte Verhalten, auf jeden Zug aufzuspringen, der gerade Fahrt aufnimmt. Cage sprang auf überhaupt keinen Zug auf.  Ganz Sohn des Erfinders John Cage, dessen Erfindungsreichtum offensichtlich am Ende angekommen war, als es darum ging, einen Namen für sein Kind auszuwählen und der deshalb flugs seinen eigenen reproduzierte, konstruierte Cage seine Züge selbst und stellte dabei gleich die gesamte Idee eines Schienensystems infrage. Hätte John Cage tatsächlich – wie sein Vater – sein Geld nicht als Komponist, sondern als Ingenieur verdient, hätte er seine Züge vermutlich übers Wasser

Ring, Ring... von Tinnitus und Smetana und anderen störenden Nebengeräuschen

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Wenn ich heute zurückdenke, bin ich ja fast der Meinung, als junges Mädchen kurz vor dem Abitur ein geregeltes Leben ohne allzuviel Stress geführt zu haben. Aber vermutlich ist das nur die Blödheit des Alters, das da aus mir spricht. Klar, Mietsorgen hatte ich damals nicht, auch mein weiteres Leben war einigermaßen überschaubar, zumindest, was die folgenden Jahre (Abi, Studium, notwendige Auslandsaufenthalte) betraf, meine Eltern gab es beide noch und Falten hatte ich auch noch keine aufzuweisen. Trotzdem wachte ich eines Morgens auf und erlebte den Beginn der großen Gregorianik in meinem Kopf, die mich noch einige Wochen lang begleiten sollte: Alles, was an akustischen Geschehnissen um mich herum vorging, hörte ich mehrstimmig. Gespräche zu führen, war wie ein terzverschobenes Parallelorganum, eine Art Antiphon (er singt , sie singt ), bei dem ich jedesmal versucht war, ein Alleluja anzuhängen, um dem ganzen einen würdigen Abschluss zu verleihen. Nach ein paar Tagen wurden aus

The Rhythm of my Heart

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Allen Unkenrufen und Meteorologen zu Trotz: So langsam wird es doch wärmer in unseren Gefilden. Und mit der Wärme kommen die Zugvögel zurück. Alle Vöglein sind zwar noch nicht ganz da, befinden sich aber gewissermaßen in der Einflugschneise. Es ist Hauptrückreisezeit. Der Nistkasten für die kommende Saison ist gebucht, die Anzahl der Eier in der Diskussion mit dem Partner, und spätestens in der Woche nach dem Einzug wird er losgehen: Der Run auf nestgeeignete Zweige und Polstermaterial. Und trotzdem ist es friedlich am Himmel, staut sich nichts beim Umfliegen der Gewitterwolke, sind sie im perfekten Formationsflug unterwegs, einschließlich synchronisiertem Flügelschlag, unter perfekter Einhaltung der vorgegebenen Fluggeschwindigkeit. Und die selbsternannte Krone der Schöpfung? Die schafft es nicht einmal über das Kamener Kreuz zu fahren, über einen Weihnachtsmarkt (oder auch nur durch einen Supermarkt) zu gehen, ein Konzert zu besuchen oder 90 Minuten lang Fußball zu spie

Rock me, Johann Sebastian - braucht man Bach, um Pop zu machen?

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Es geschah während eines Blockseminars an einem Wochenende: Eine Teilnehmerin, die selbst in der Popbranche tätig ist, und ich gerieten mitsamt Dozenten (die arme Socke, der hatte es sicher nicht leicht mit uns) in eine Diskussion über die Frage, ob man Musiker wie Bach getrost in die Tonne kloppen kann, wenn man nur vorhat, sich mit Popularmusik zu beschäftigen, oder ob der Herr B. Auch in diesem Fachbereich die Grundlage für alles ist. Meine Einstellung zu diesem Thema dürfte der geneigten Leserschaft mittlerweile ja hinlänglich bekannt sein: Meiner Meinung nach kann man vermutlich nicht einmal vernünftig husten oder schnarchen, wenn man die Grundlage, also den Johann Sebastian, nicht verinnerlicht hat. Meine Gesprächspartnerin sah das Ganze etwas anders und der Herr Analyselektor (Amboss, der Analysator...für alle die, die die Ottofilme noch kennen) saß zwischendrin, lauschte unserer „Argumentation“ („Ohne Bach und Werckmeister hättet ihr nicht mal alle Tonart

Echtes deutsches Operngut? Oder: Erst denken, dann fordern.

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Vor nicht allzu langer Zeit flatterte mir das Ergebnis einer Umfrage ins Haus, die sich auf den Musikgeschmack und die Rezeptionsgewohnheiten in Deutschland bezog. Ausgewählt wurden unter anderem die zehn beliebtesten Opern, die mich dann doch ein Stück weit zum Nachdenken anregten: Wenn das sie Stücke waren, die den Opernhäusern ein annähernd gefülltes Haus garantierten, dann konnte die AfD einpacken mit ihrer, was die Kunstfreiheit betrifft, ohnehin recht fragwürdigen Idee, die Werte des Volkes zu sichern, indem verstärkt Stücke deutscher Komponisten gespielt werden sollten. Es ist nämlich nicht so, dass es davon in besagter Liste von deutschen, bzw. deutschsprachigen Opern nur so gewimmelt hätte: Ein einziges deutsches Werk befand sich unter den genannten: Die allseits beliebte und bekannte Zauberflöte nämlich. Die könnte man nun also quasi als Standardmusikwerk in jedem deutschen Opernhaus auf die Bühne bringen, nicht wahr? Oder nicht? Was sagen denn unsere ach so besorgt