Falstaff – Ein Klopper zum Feierabend
In München steht ein Hofbräuhaus...
und in Mailand? Da steht ein Altersheim. Klingt nicht ganz so toll?
Das Bier wäre Ihnen lieber? Dann werfen wir doch mal einen etwas
genaueren Blick auf die Seniorenresidenz: Über das Casa Verdi habe
ich hier *klick* bereits ein paar Worte fallen lassen, wer mag findet
auch hier *klick*
einen Artikel dazu, handelt es sich doch um ein Altersheim für
ehemalige Musiker, gegründet mit dem Geld, das Giuseppe Verdi (1813
– 1901) eigens zu diesem Zweck hinterlassen hatte. Mittlerweile leben
sogar junge Musikstudenten mit den älteren Herrschaften unter einem
Dach, und lassen sich von den ehemaligen Größen inspirieren und so
einiges erklären.
Verdi war nämlich nicht nur einer der
berühmtesten Komponisten seiner Zeit (wobei ihm die Tatsache, dass
der einst so gefeierte Gioachino Rossini inzwischen lieber
Pastasaucen zusammenrührte und mehr Kochbücher als Opern schrieb,
und sowohl Vincenzo Bellini als auch Gaetano Donizetti ihr Leben
bereits ausgehaucht hatten, gewaltig unter die Arme griff – In
Italien war neben ihm ganz einfach nicht mehr allzuviel übrig, was
die Oper wesentlich mitgestalten hätte können), sondern auch
politisch äußerst aktiv: Nachdem Italien vier Jahrhunderte lang aus
Stadtstaaten bestanden hatte, die jeweils von unterschiedlichen
Fürstenfamilien und später teilweise von anderen europäischen
Mächten regiert wurden, wurde die Halbinsel im Jahr 1861
politisch vereint und Giuseppe Verdi, der sich für das Risorgimento(„Wiedererstehen“) eingesetzt hatte, ließ sich sogar kurzzeitig
überreden, für die Abgeordnetenkammer zu kandidieren.
Seinen Wunsch nach fairer Behandlung
und Bezahlung der Arbeiterklasse setzte er auf seinem Landgut Sant'
Agata bei Busseto in die Tat um und lebte dort später das Leben als
Landwirt, das er in seiner Kindheit kennen- und liebengelernt hatte.
Zudem hatte er auf dem Land seine Ruhe und konnte mit seiner
Freundin, der Sängerin Giuseppina Strepponi in aller Ruhe
zusammenleben, ohne sich die nervigen Fragen über einen
Hochzeitstermin anhören zu müssen.
Als die beiden 1859 schließlich
doch vor den Altar traten, hatten sie bereits 12 Jahre lang
zusammengelebt.
Warum sie sich schließlich tatsächlich dem Fluch
des Ringes unterwarfen, vermag ich nicht zu sagen. Vermutlich hatten
sie den Kanal ganz einfach gestrichen voll von der ganzen Fragerei.
Mit Ehe und Familie hatte Verdi ja bisher nicht die besten
Erfahrungen gemacht, bzw. ein ziemliches Trauma hinter sich. Immerhin
hatte seine erste Ehe damit geendet, dass seine Frau den Löffel
abgab, und das nur mit wenigen Monaten Abstand zu seinen sämtlichen
Kindern. Das prägt, würde ich sagen. Wobei die Verdis damals
lediglich 2 Kinder ihr Eigen nannten. Ein solches Massensterben
möchte ich mir im Hause Bach oder Marais lieber nicht vorstellen...
hätten dort sämtliche Kinder und Ehefrauen gleichzeitig Lebewohl
gesagt, hätte es eine 23-, bzw 21-fache Beerdigung gegeben.
Wahrscheinlich wäre es in einem solchen Fall billiger gewesen,
gleich eine ganze Baugrube ausheben zu lassen, statt Einzelgräber zu
schaufeln.
Die gute Giuseppina (Giuseppe und
Giuseppina...klingt irgendwie wie Bastien und Bastienne, oder nicht? ob er das damals wohl so in irgendwelche Baumrinden
geschnitzt hat?) hatte zwar keine Kinder mit Verdi, arbeitete jedoch
fleißig an seinen Opern mit, indem sie die literarischen Vorlagen zu
Il Trovatore, Simon Boccanegra und Aida übersetzte, den Großteil der nervigen Verwaltungsschreiben erledigte und ihrem Lebenspartner
auch sonst beratend zur Seite stand, oder, wie Verdi sich ausdrückte:
„Peppina liest, schreibt, arbeitet: Ich mache nichts.“ (Irene
Tobben: Ich wollte eine neue Frau werden. Giuseppina Strepponi,
Verdis Frau. Ein Lebensbild. Verlag Das Arsenal, Berlin 2003, s.
99 )
Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass
Verdi eine „Komponiermaschine“ war, die zwischen 1839 und 1893
zwischen Kammermusikkompositionen, Messen und Kantaten glatte 32
Opern auf den Markt warf. Dass es nicht mehr geworden sind, ist nicht
zuletzt darauf zurückzuführen, dass er 1886 im Alter von immerhin
73 Jahren auch mal ein bisschen so etwas wie Ruhestand genießen
wollte, ehe er sich überreden ließ, doch noch ein weiteres Werk
rauszuhauen, schließlich verkauft sich so eine „letzte Arbeit“
(der liebe Giuseppe war bei Erscheinen der letzten Oper bereits 79
Jahre alt, es war also abzusehen, dass danach auf diesem Gebiet nicht
mehr viel kommen würde) ja immer ganz gut. Man denke nur einmal an
Showgrößen wie Tina Turner, die Rolling Stones und Konsorten, die
so ungefähr jedes Jahr auf ihre absolut allerallerletzte
Abschiedstournee gehen und wieder vor ausverkauften Häusern spielen.
Witzig an dieser Geschichte ist bei Verdi nur, dass der gute Mann in
den vergangenen 53 Jahren nur ernste Opern auf die Bühne gebracht
hatte, und nun, ausgerechnet im gesetzten Alter von fast 80 Jahren,
in dem die meisten Männer froh sind, wenn sie wenigstens noch einen
Stift senkrecht halten können, eine Komödie verfasst.
Nicht, dass
es seine erste gewesen wäre, seine zweite Oper „König für einen
Tag“ war ebenfalls eine komische Oper gewesen, allerdings war diese beim
damaligen Publikum gnadenlos durchgefallen. „Nie wieder komische Opern!“
mag sich der ausgepfiffene Verdi damals gedacht haben, um nun, als
letztes Werk doch wieder eine von der Sorte zu bringen. Vielleicht war er
bereits ein wenig seniler, als er zugeben wollte und konnte sich an
das Opernfiasko vor 53 Jahren nicht mehr erinnern, vielleicht hatte
er aber auch ein Alter und einnen Entwicklungsstand erreicht, in dem
es ihm egal war, was die Leute über ihn und seine Opern dachten.
Erfolg brauchte er zu diesem Zeitpunkt jedenfalls tatsächlich nicht
mehr, darauf konnte er sich einen pfeifen und auf seinem Landsitz ein
Ciabatta mit selbstgeernteter Birnenkonfitüre bestreichen. Und wenn
es ganz schlimm kam und er sich nicht mehr vor die Türe trauen
konnte, ohne Gefahr zu laufen, mit Tomaten beworfen zu werden, ja
dann konnte er ja immer noch in ein Altersheim ziehen und sich
bedienen lassen. Am besten ganz weit weg, in Mailand oder so. Das
Geld dafür hatte er ja bereits auf die Seite gelegt.
Wunderschöne Sonne! Einen ganzen Tag lang! So lässt sich sogar der Januar ertragen!
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