Obertönig mit drohendem Unterton
Die Obertonreihe dürfte den meisten
Menschen, die sich mit Musik beschäftigen, bekannt sein.
Man nutzt Flageoletttöne (irgendwie
habe ich mich noch immer nicht an die Sache mit den 3 Konsonanten
nach den neuen Rechtschreibregeln gewöhnt...für mich sieht das
immer etwas finnisch aus), um Saiteninstrumente zu stimmen, Bläser
mit Naturtoninstrumenten können etweder gar nichts anderes spielen,
oder benötigen zusätzlich Ventile, als Kinder produzierten wir sie
durch das Herumschleudern von alten Waschmaschinenschläuchen (und
droschen damit versehentlich unseren Geschwistern die Köpfe ein und
die Vasen vom Regal), sie begegnen uns weil sie in quasi jedem Ton
und erst recht in jedem Akkord mitschwingen. Und sie sind dafür
verantwortlich, dass wir Durdreiklänge als reiner empfinden, als
Molldreiklänge. Picardische Terzen, verdunkelnde und aufhellende
Effekte, barocke Stilelemente, ohne die kein Christus in den Himmel
fahren und niemand trübe, trostlose Qualen erleiden konnte... wer
hat Schuld? Die Naturtonreihe, in der der Durdreiklang quasi
natürlicherweise enthalten ist.
Diese Dinger lassen uns schon deshalb
nicht in Ruhe, weil es im Grunde unmöglich ist, unter
Nicht-Laborbedingungen im Alltag einen Ton zu erzeugen, den auch ein
Physiker als solchen bezeichnen würde. Einen Sinuston nämlich, mit
einer ganz reinen Schwingung, ohne Neben-, Unter- und Obertöne.
Was wir für einen Ton halten, erklärt
der Physiker zum Klang, und das, was der Musiker unter dem Klang
versteht, das Zusammenklingen unterschiedlicher Instrumente oder
Stimmen, würde für einen Physiker wahrscheinlich wahlweise unter Musik,
Krach oder Katzenjammer fallen.
Obertöne schwingen also mit, wir hören
sie auch dann, wenn wir uns dessen nicht bewusst sind.
Untertöne tauchen allerdings im
Frequenzbereich der bei uns üblichen Musikinstrumente nicht auf,
wobei wir auch Schwierigkeiten hätten , sie zu hören. Die ersten
paar Obertöne können wir auch verhältnismäßig leicht nachsingen
(immer vorausgesetzt, der Ausgangston ist nicht zu hoch), bei den
Untertönen wird es da schon schwieriger. Den ersten Unterton, die
Oktave nämlich, bekommen wir meist noch gebacken, auch wenn sich das
schon verdächtig nach tibetischem Klostergesang anhört, danach
bekommen wir zumeist Schwierigkeiten.
Im Gegensatz zu den Obertönen, die schneller schwingen (also einen höheren Frequenzbereich haben, als der Ausgangston), schwingen die Untertöne langsamer. Der erste Oberton bespielsweise schwingt doppelt so schnell wie der Grundton und erklingt somit eine Okatve höher, während der erste Unterton halb so schnell schwingt und damit eine Oktave tiefer erklingt.
Im Gegensatz zu den Obertönen, die schneller schwingen (also einen höheren Frequenzbereich haben, als der Ausgangston), schwingen die Untertöne langsamer. Der erste Oberton bespielsweise schwingt doppelt so schnell wie der Grundton und erklingt somit eine Okatve höher, während der erste Unterton halb so schnell schwingt und damit eine Oktave tiefer erklingt.
So weit, so gut. Wir kennen das
Beispiel mit dem Monochord? Greift man eine gespannte Saite in der
Mitte ab, bekommt man den ersten Oberton, landet also eine Oktave
höher. Wer kein Saiteninstrument oder einen Besenstielbass zur Hand
hat, kann sich auch mit dem aus dem Physikunterricht bekannten
Lineal-Beispiel behelfen: Ein Lineal möglichst Kante an Kante an
einen Tisch halten (ein Minibisschen Auflagefläche werden wir
brauchen, daher ist das Beispiel nicht 100% korrekt), dann “schnarren
lassen”. Macht zumindest Spass, oder? "Was für ein Instrument spielst Du?" "Lineal!" :) Nun vergrößern wir die Auflagefläche, so dass das
Lineal etwa zur Hälfte auf dem Tisch aufliegt. Lassen wir es jetzt
wieder schnarren, schwingt es schneller und der Ton ist höher. Fast
eine Oktave höher, immer vorausgesetzt, man kann so ein Geratter
irgendwie messen.
Greift man die Saite nicht im
Verhältnis 1:2, sondern 1:3 (es schwingt also nur noch ein Drittel
der Saite oder eben des Lineals), befinden wir uns eine Quinte höher, als zuvor. Das
Verhältnis 1:4 bringt eine Quarte hervor, 1:5 eine große, 1:6 eine
kleine Terz, immer im Verhältnis zum vorherigen Ton. Danach wird es
krumm, aber, wie mein Bruder sagen würde: Irgendwas ist ja immer.
Am Beispiel eines C als Ausgangston
erhalten wir also zunächt ein weiteres c (oktave darüber, wie
gesagt), danach ein g (die Quite über dem c), darauf wieder ein c
(genaugenommen ein c', das eine Quarte über dem g liegt). Es folgen
die große Terz mit einem e' und ihre kleine Schwester mit einem g''.
Soviel zu den Obertönen, wir wollte ja aber eigentlich hinunter in
die unendlichen Tiefen der Untertöne, nicht wahr? Dazu müssen wir
den Spieß ganz einfach herumdrehen und die Komplementärintervalle
nach unten heranziehen. Wir stapeln also tief statt hoch und beginnen
mit der Oktave nach unten. Vom c aus gesehen wäre das das C. Darauf
folgt eine Quarte nach unten, das Komplementärintervall zur
obertönigen Quinte nach oben (Komplementärintervalle ergeben immer
eine Oktave, wenn man sie zusammnezählt). Daraufhin die Quinte
(Komplementär zur Quarte nach oben). Schnell noch eine kleine, sowie
eine große Sexte und wir sind praktisch im Kellerpendant zum
Obergeschoss des 5. Obertons: Der 5. Unterton ist erreicht und wir
erhalten (Mit Ausgangston) c, C, G (ok, Kontra-G), (Kontra-)C, ein
Subkontra-e und das g eine Okatve darunter. C-c-g-c-e-und g.... rein
von den Tönen her haben wir das irgendwo schonmal gehabt, oder?
Die Mathefreaks unter uns dürfen jetzt
die Normalparabelschablonen aus ihren Federmäppchen zerren, einen
geraden Strich für den Grundton ziehen und dann die Parabel so daran
ausrichten, dass der horizontale “Grundtonstrich” der Mittellinie
der Schablone entspricht. Was herauskommt, dürfte in etwa so
aussehen:
Was zunächst noch relativ steil nach
oben, bzw unten geht (doppelte, bzw halbe Frequenz des Grundtones),
flacht im Verlauf der Geschichte immer weiter ab. Die Abstände
zwischen den Tönen werden (wie man an den Obertönen sieht) immer
kleiner, gehen gegen null, während sie sich in den Untertönen der
Oktave annähern, diese aber ebenfalls nie erreichen. Schade
eigentlich. Muss ganz schön frustrierend sein, für so eine
Untertonreihe. Immer kurz vor dem Ziel, aber immer fehlt etwas.
Erinnert mich irgendwie an mein Liebesleben. Ich glaube, ich bin ein
Unterton.
Untertöne zeichnen geht also ziemlich
schnell (und macht etwas her, finde ich. Für mich sehen Diagramme
mit bunten Linien darin jedenfalls immer höchst wissenschaftlich und
beeindruckend aus), Untertöne auszurechnen, bzw abzuzählen, ist bis
zu einem gewissen Grad auch nicht allzu schwer. Sie zu singen, das ist
allerdings eine Kunst an sich, die in unseren Gefilden auch kaum
praktiziert wird. Untertongesang ist eher in Gegenden wie der
Mongolei, Tibet oder Afrika zuhause und klingt für europäische
Ohren erstaunlich ungewohnt und irgendwie nach menschlicher
Klangschale. Fehlende Texte machen die Frage nach Mensch, Instrument
oder Ork für mich noch schwerer, wobei das tatsächlich am
altbekannten Problem liegt: Mangelnde Beschäftigung mit dem
Unbekannten. Schon krass, wie sehr sich unsere mitteleuropäischen
Ohren an die Tonalität gewöhnt haben, wiesehr wir teilweise dem
Leittondenken verfallen sind, und das, obwohl die Romantik sich doch
alle Mühe gegeben hat, mit dieser Denk- ud Hörweise aufzuräumen.
Schönberg hätte seinen Notenblock wahrscheinlich in die Ecke
geknallt und wäre Busfahrer geworden, wenn man ihm rechtzeitig
gesagt hätte, dass die Menschen auf Generationen hinaus auf Kadenzen
anspringen, wie ein Traktor auf Dieselöl. Hm. Ganz schön
eingeschränkt, unser kulturell geprägtes Gehör. Auch hier gilt es
wohl wieder einmal, sich endlich auf das Unbekannte, auf das
Ungewohnte und Fremde einzulassen, um die Schönheit und den Reiz des
Fremden zu entdecken.
Musizieren, weil es einfach Spaß macht. Da dürfen es auch ganz einfache Sachen sein. Zusammenspiel ist alles!
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