Der Friedi... in Dresden und Halle
Teil 4 des Friedemann Bach Geplauders.
Hier geht es zu Teil 1, Teil 2 und Teil 3
Wilhelm Friedemann Bachs erste feste
Anstellung als Organist an der Dresdner Sophienkirche verschaffte
ihm, wie bereits erwähnt, sein Vater Johann Sebastian, der sogar
soweit ging, das Bewerbungsschreiben seines Sohnes zu
fälschen.Friedeman selbst hatte nämlich erst gar keines
geschrieben. Falls sich an dieser Stelle übrigens jemand fragen
sollte, wo die Sophienkirche denn eigentlich steht: Sie wurde im 2.
Weltkrieg schwer beschädigt, 1962 abgerissen und durch ein Gasthaus
mit Kneipe ersetzt. Hätte Friedi sicher für gut befunden, aber dazu
später. Und das mit dem Bewerbungsschreiben hätte auch von meinem
eigenen Vater stammen können, der jahrelang daran verzweifelte, dass
seine postpubertären Kinder keinerlei Interesse an fristgerechter
Korrespondenz mit offiziellen Stellen hatten. Sprich: Wenn man den
Tisch unter dem Stapel von Papierkram noch sehen konnte, wurde auf
alle Fragen mit “Jaja, das mach ich schon noch” geantwortet.
Irgendwann. Wenn ich drandenke. Sonst halt nicht. Bei Wilhelm
Friedemann wird es in diesem Alter (er war gerade 23, also im besten
Prokrastinationsalter, wer Beweise braucht, sollte sich mal die Küche
in einer Studenten-WG ansehen) ähnlich gewesen sein.
Immerhin spielte er in Dresden vor,
wurde für gut befunden und nahm die Stelle an. Ein erster Erfolg und
ein Grundstein auf dem Weg zu einem der Spitzenmusiker seiner Zeit.
Und zunächst sah auch alles nach einer typischen Bachkarriere aus:
13 Jahre nach Amtsantritt in Dresden bewarb er sich als Musikdirektor
und Organist in Halle, heiratete und wurde Vater von 3 Kindern, von
denen allerdings lediglich die Tochter Friederike Sophie das
Erwachsenenalter erreichte. Diesen Schnitt (eines von dreien
überlebt) hatte er in seinem Elternhaus zwar auch gehabt, allerdings
blieben bei 20 Geburten immer noch genügend Kinder übrig, um das
Haus mit Leben zu erfüllen. Ein einziges Mädchen statt einem Stall
voller tobender Jungs und einer zusätzlichen Ladung Thomanerknaben,
die ein- und ausgingen, als gäbe es dort das Bier umsonst, das ist
ein ziemlicher Unterschied. Ob er sich das so vorgestellt hat, der
Friedemann?
Vielleicht lief in Halle auch ganz einfach nicht zu seiner
Zufriedenheit, und wenn Wilhelm Friedemann seiem Vater so ähnlich
war, wie es immer wieder heißt, dann wird er vielleicht auch dessen
Dickschädeligkeit geerbt haben, vor allem, wenn es darum ging,
Vorschrifte seitens irgendwelcher Vorgesetzten, die zwar über die
Arbeit eines Musikers bestimmen durften, jedoch selbst mur
Bürokraten, aber eben keine Künstler waren, irgendwie zu umgehen
oder zumindest ein wenig abzuändern. Vielleicht hatte er ja keine
große Lust, sein Leben damit zuzubringen, sich den Passierschein A38
holen zu müssen, jedenfalls gab er das Amt in Halle 1764 wieder ab,
auch ohne eine neue Anstellung in Aussicht zu haben. Versuche, in
Zittau, Frankfurt am Main und später am Darmstädter Hof (die Stelle
erhielt er sogar “nominell”, trat sie aber tatsächlich nie an)
waren schon vorher gescheitert. Schlussendlich knallte es bei der
Amtsübergabe in Halle noch einmal gewaltig, nachdem bei der Inventur
ein Geigenbogen, ein Zink eine Posaune und einige Saiten fehlten.
Dass man sich nach 18 Jahren im Amt für ein paar verschollene Saiten
rechtfertigen muss, ist schon recht verwunderlich. Noch witziger ist
die Tatsache, dass ihm die verschwundene Posaune zur Last gelegt
wurde, sich im Gegenzug aber kein Mensch über die zusätzliche
Trompete zu freuen schien, die das Inventar im Laufe seiner Zeit in
Halle auf wundersame Weise bereichert hatte... nun ja, manchen kann
man's eben nie recht machen :)
Vielleicht hatte Friedemann auch
danach erst mal den Hals voll von Anstellungen und Gängeleien. Wie
gesagt, als der “Kuschelbach” war er nicht gerade bekannt, ich
tendiere ein wenig dazu, die Lieblingskindeschichte dafür
verantortlich zu machen. Wer als Kind nie das Wort “nein” gehört
hat, hat nicht gelernt, mit Gegenwind und Frustration umzugehen. Anna
Magdalena, auch Dir meine tiefste Sympathie. Einen nur 9 Jahre
jüngeren verwöhnten Stinkstiefel zum Stiefsohn zu bekommen...da
muss der alte Bach aber ganz schön was auf (bzw in) dem Kasten
gehabt haben, um das bei ihr wettzumachen.
Noch ein Stinkstiefel... zumindest dem Blick nach.
Eigentlich ist sie ja ein scheues Kätzchen, aber fotografiert zu werden, das mag sie gar nicht :)
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