Das Festspielhaus - ein Traum aus Nibelheim
Nur 5
Wochen im Jahr wird es bespielt: Das Bayreuther Festspielhaus,
Geisteskind eines der bedeutendsten Komponisten Europas und einer der
außergewöhnlichsten Theaterbetriebe überhaupt.
Privattheater
mag es viele geben, Kasperletheater auf Kinderfesten zählen dazu
oder auch das Projekttheater in Dresden, mit über 3000 m² bebauter
Grundfläche und Baukosten in Höhe von 428.384,09 Mark (was in etwa
3,29 Millionen Euro entpricht), die teilweise aus der Privatschatulle
des Bayernkönigs Ludwig II, bezahlt wurden, nimmt das Festspielhaus
jedoch eine absolute Sonderstellung ein. Auch die Tatsache, dass
Wagner von Anfang an plante, nur seine eigenen Werke auf die
Bayreuther Bühnen zu bringen, ja im Grunde seine Vorstellung eines
Gesamtkunstwerkes in die Architektur der Hauptbühne, sowie der
Unter- und Hinterbühnen und der gesamten Bühnenmaschinerie
hineinarbeitete, so dass man neben Musik, Text und Darstellung auch
die Architektur des Aufführungsraumes mit zu den Parametern des
Gesamtkunstwerkes zählen kann, ist einzigartig bei einem Projekt
dieser Größenordnung.
Wagners
Opern waren nicht nur die einzigen, die auf dieser Bühne gespielt
werden durften (laut seines Testaments fiele das Erbe -damit meinte
er den Festspielbetrieb- sofort an die Stadt Bayreuth, sollte ein
Mitglied seiner Familie, das ebenfalls laut Testament den Betrieb
quasi auf immer und ewig leiten sollte) dieser Anweisung keine Folge
leisten und einen „Fremdkomponisten“ zulassen, im Gegenzug durfte
die als „Bühnenweihfestspiel“ konzipierte Oper Parsifal auch auf
keiner anderen Bühne außerhalb Bayreuths gespielt werden.
Was
das Repertoire an sich betrifft: Erste Pläne, ein eigenes Theater zu
bauen, entstanden, wie aus Briefen zwischen Wagner und Franz Liszt
hervorgeht, bereits in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts; Zum
Zeitpunkt der tatsächlichen Planung (damals noch als Teil eines
Kultursnobviertels an den Isarauen in München) hatte Wagner gerade
mal vier Opern im Programm, mit denen er sein Theater hätte
bespielen können: Rienzi, Lohengrin, Der fliegende
Holländer und Tannhäuser. Seine Frühwerke hatte er
selbst nicht für Bayreuthwürdig befunden, Parsifal und der Ring
befanden sich noch in der Phase der Opernfamilienplanung. Bedenkt
man, dass das stark abgespeckte Bayreuther Gebäude bereits annähernd
2000 Sitzplätze bietet,und München (das damals gerade mal 180000
Einwohner hatte) um einiger größer konzipiert war, fragt man sich
schon, wie er gedachte, die Bude vollzubekommen.
Man
kann Wagner also viel vorwerfen, mangelndes Selbstbewusstsein,
fehlende Ausdauer oder der Mut, seine Träume in die Tat umzusetzen,
mag es auch noch so lange dauern, gehören jedenfalls nicht dazu.
Wie
bereits erwähnt, sieht Wagners Testament eine Führung der
Festspiele in Familienhand vor. Und tatsächlich wird das Theater
seit dem ersten Tag von seiner Familie geführt.
Auch
dies ist ein Alleinstellungsmerkmal, auch wenn das Festspielhaus der
Familie theoretisch nicht mehr gehört und mittlerweile lediglich
angemietet ist. Laut Gesetz sind weder die Festspiele als
Kulturereignis noch die Opern selbst in irgendeiner Form Eigentum der
Wagnerfamilie, auch Parsifal darf nach Ablauf der Urheberrechte nun
„außer Haus“ gespielt werden; da die Tradition unter
Wagnerianern allerdings hoch gehalten wird (auch wenn sich der
Familienbetrieb im Dritten Reich unter Siegfrieds Witwe Winifred
bekanntlich nicht mit Ruhm bekleckerte und auch die Erbfolge ein
wenig freier auslegte, als beispielsweise Siegfried es festgelegt
hatte – die Geschichte mit Friedelind habe ich ja bereits hier
abgehandelt), dürfte mit einer Lockerung dieser Traditionen in den
nächsten Jahrtausenden vermutlich nicht zu rechnen sein. Lediglich
die Idee, die Leitung der Festspiele auf Lebenszeit auf den Erben zu
übertragen, hat sich nicht länger gehalten.
Wennauch
der Wagner-Clan die Dinge nicht so demokratisch zu regeln scheint,
wie man es sich wünschen möchte, so ist doch zumindest das Theater
nach eben diesen Grundsätzen aufgebaut. Ein Griechisches
Amphitheater war Vorbild für das gleichmäßig ansteigende Parkett,
schnörkelloses Design zeichnet die Räume aus, Holzverkleidung,
fehlende Polster und Stoffbehänge schlucken nichts vom Klang, der
sich im Bayreuther Festspielhaus tatsächlich so ganz anders verhält
wie in einem damals üblichen Theaterbau.
Das
Vorbild eines Amphitheaters wurde vom Revolutionär und überzeugten
Demokraten Wagner nicht zufällig gewählt: Immerhin handelt es sich
bei den Griechen um die „Erfinder“ der Demokratie. Ebenfalls dem
antiken Griechenland entstammt die Festspielidee als solche:
Griechische Theateraufführungen wurden übermehrere Tage hinweg
abgehalten, die Vorstellungen begannen am Nachmittag, standen
untereinander in Verbindung und beinhalteten lange Pausen, in welchen
das Publikum etwas essen und sich in Ruhe über das Gesehene
unterhalten konnte.
Ein
Tag im Theater entspricht auch dem, was man in Bayreuth erlebt.
Frühe, dafür Stunden andauernde Vorstellungen, lange Pausen,
Erfrischungen, Gespräche unter freiem Himmel (und wenn es das Wetter
einmal nicht zulässt, so ist die Decke im Festspielhaus so bemalt,
dass man sich zumindest vorstellen kann, im Freien zu sein). Und eine
unvergleichliche Atmosphäre.
Nicht
zuletzt der verdeckte Orchestergraben, der eine Tiefe von bis zu 12
Metern erreicht und vom Publikum nicht eingesehen werden kann
(gerüchteweise verlautet, die Musiker würden teilweise in Shorts
und Badelatschen spielen, wer soll es auch sehen), trägt zu diesem
Klangerlebnis bei. Unter zwei unterschiedlich hohen Abdeckungen (eine
von Publikumsseite und eine von der Bühne aus) entwickelt sich der
Schall auf eine ganz eigene Weise, ehe er schließlich wie aus dem
Nichts heraus nach oben steigt. Dieser einzigartige Orchestergraben
trug nicht unwesentlich zur restlichen Raumplanung bei, da Wagner um
jeden Preis verhindern wollte, dass er doch noch von irgendeiner
Seite aus eingesehen werden konnte. Das Parkett ist daher
vergleichsweise schmal gehalten, zu weit seitlich angebrachte Sitze
würden Einblicke in den Graben und die sich stetig weiter
entwickelnde Bühnenmaschinerie gewähren.
Auch
eben diese Maschinerie entsprach zur Bauzeit dem höchsten Standard,
denn Wagners Szenen spielen sich unter Wasser, in Luftigen Höhen,
auf Schlachtfeldern oder in von Drachen bewohnten Wäldern ab.
Seilzüge und doppelte Böden gab es bereits seit den Tagen des
Barock, mittlerweile wurde dergestalt aufgerüstet, dass nur noch die
Grundmauern des Unterbühnenbaus dem Originalzustand entsprechen.
Dafür kann man nun die Bühne vollelektronisch nach unten öffnen
und so Personen, Rauch und allerlei Effektmaterial quasi aus dem
Nichts erscheinen lassen.
Für
die Musiker ist es ein Engagement in Bayreuth natürlich
prestigeträchtig, weshalb die Gagen für die Musiker auch
entsprechend moderat gehalten werden. Wem es nicht gefällt, der kann
gehen, der Skandal um das Nazi-Tattoo des Sängers Evgeny Nikitin im
Jahr 2012 zeigt, wie schnell und einfach man an einen Ersatz für
selbst die anspruchsvollsten Titelrollen kommen kann. In Bayreuth
will quasi jeder schon einmal gesungen haben. Nach den
Festspielwochen ist die Saison zu Ende, die Sänger werden in die
Freiheit entlassen, wo sie von ihren jeweiligen Bewährungshelfern
(im Fachjargon auch „Agenten“ genannt) in Empfang genommen
werden, und das Orchester ist keines mehr. Auch das kommt erst zu den
Proben im Folgejahr wieder zusammen. Wer dann wieder dabei ist, darf
stolz sein und sich einen Lolli holen.
Es ist
wohl Richard Wagners umstrittener, aber unbestreitbar herausragender
Persönlichkeit und der daraus resultierenden Bekanntheit des
Festspielhauses zu verdanken, dass die Karten für die Festspiele so
schwer zu beschaffen sind: Wartezeiten von zehn Jahren sind keine
Seltenheit, dabei hatte Wagner eigentlich geplant, seine Opern
jedermann zugänglich zu machen. Status sollte kein Hindernis sein,
was sich auch auf die Kartenpreise auswirkte, die auch heute noch
überraschend niedrig sein können. Können. Es sei denn, man kauft
sie auf der grünen Wiese, wo die Nachfrage den Preis bestimmt.
Wagners Leben, das zwischen dem Ideal einer fairen Gesellschaft und
der Abhängigkeit von reichen Mäzenen hin und herpendelte, zeigt
seine Spuren also auch in diesem Gebäude.
Jup, die können wirklich überall schlafen. Könnte ich aber auch. Ich hab nur nicht die Zeit dazu und es käme auch etwas unpassend, wenn ich mich dazu bei anderen Leuten auf den Schreibtisch legen würde.
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