Il Ballo delle Ingrate - Monteverdi, das Froeken und die Sache mit der Liebe


Zugegeben, auch wenn ich meine Freiheit gegen Trolle, Piraten, das Phantom der Oper und was es sonst noch geben könnte, verteidigen würde, als ginge es um mein Leben, ab und zu wird es dann doch einmal einsam im Hause Finemang. Und wenn mich der Herr Sagichnicht dann mal wieder mit diesem Blick bedacht hat, der in etwa soviel heißt wie „Vergiss es, Kleine, ich hab was besseres im Kühlschrank“, dann möchte ich ihn am liebsten in die Hölle schicken. Da soll er dann im Feuer schmoren und Hitzepickel bekommen (mit denen er vermutlich immer noch toll aussehen würde * seufz * ) und lamentieren und jammern und klagen

Ach ich armer Jüngling krank,
ach hätt ich genommen, das Fräulein Finemang-k“

Tja, und so ganz ab und zu, zu Weihnachten und Ostern, oder wenn er ganz besonders brav war, dann dürfte er auch mal nach oben, in die Welt der Lebenden, um zu tanzen und sich anzugucken, was er alles hätte haben können, wenn er ein bisschen netter zu mir gewesen wäre: Sonnenschein und Schmetterlinge und Deutschland sucht den Superstar. Und mich natürlich, der undankbare Kerl.
Vielleicht könnte man da sogar ein kleines Ballett draus machen? Was meint die geneigte Leserschaft?
Wie bitte? Das gibt es schon? Ach, von Monterverdi soll das sein? Na klasse.
Wer sich ein bisschen für Musik interessiert, der weiß, dass Monteverdi einer von diesen kleinen italienischen Strebern ist, die immer gleich angesprungen kommen und „eccomi!“ rufen, sobald es eine neue Idee oder Technik gibt, die sich verbraten und mit der sich Eindruck schinden lässt. In etwa so wie Beethoven ein paar hundert Jahre später, nur eben in einer Gegend mit besserem Wetter. Das also auch noch.
Il Ballo delle Ingrate“ heißt das Stück, das der gute Claudio im Jahre 1608 aus dem Hut zauberte, um den jungen Francesco Gonzaga in Mantua bei seiner Hochzeit mit der Infantin Margherita von Savoyen zu unterhalten. Ebenfalls Teil der Festmusik war übrigens die Oper „L'Arianna“ (=Ariadne), von der heute nur noch Libretto und ein einziges Stück erhalten geblieben sind, und die mal wieder zeigt, wem man seine Entwürfe zu lesen geben sollte und wem nicht. Das Libretto nämlich war der guten Herzogin Eleonore in die Hände gefallen und nach dem Durchlesen für knochentrocken und stinklangweilig befunden worden. Trotzdem wurde die Musik der Ariadne so populär, dass sie Eingang in Monteverdis sechstes Madrigalbuch fand und so die Zeiten überdauerte. Aber vielleicht war es ja gerade das Genörgel der Herzogin, das die Wedding-Planner bewog, ein weiteres, heiteres Stück in die Festlichkeiten mit aufzunehmen. Am besten etwas schnelles, fetziges, wobei getanzt wird, und das den Damen bei der Gelegenheit auch gleich mal zeigt, wo der Hammer hängt. Tanzen war ohnehin große Mode, ganz nach dem Vorbild des französischen Hofes. Und wo wir beim Hammer sind: Der Musikwissenschaftlerin Suzanne Cusick zufolge, diente bereits das zuvor aufgeführte Stück über Ariadne der Belehrung der Mantueser Damenwelt: Ariadne, die ihren Theseus mittels eines roten Fadens aus dem Labyrinth des Minotauros befreit und ihm damit das Leben gerettet hatte, hatte sich ihren Liebhaber somit selbst ausgesucht, anstatt brav zuhause zu sitzen und darauf zu warten, von ihrem Vater verheiratet zu werden (wohlgemerkt: Von demselben Vater, dessen eigener Geschmack, was die Liebe betrifft, wohl bestenfalls als zweifelhaft bezeichnet werden darf, denn immerhin hatte er einen Sohn, der halb Mensch und halb Kuh war. Besagten Minotauros eben). Und dafür durfte sie nun auf der kleinen griechischen Insel Naxos versauern, auf der es vermutlich nicht einmal einen ordentlichen Metaxa gab, um den Schock erst einmal herunterzuspülen. Der Sinn dieser ganzen Veranstaltung bestand nach Cusick darin, den Frauen der Renaissance ein für alle Mal klarzumachen, wo ihr Platz war. Zumindest, solange die Öffentlichkeit ein Auge auf sie hatte.

Dass das Gehopse „Il Ballo delle Ingrate“ heißt, und nicht etwa „dei Ingrati“, zeigt ebenfalls, dass es mal wieder nicht ganz so gelaufen ist, wie das Fröken sich das so vorgestellt hatte: Hier gammeln gar keine Männer in der Hölle vor sich hin, setzen hitzebeständige Spinnweben an und jammern den Frauen hinterher... neee, es sind mal wieder die Frauen, die in ewiger Verbannung vor sich hinschimmeln, weil sie es gewagt haben, einen Mann zu verschmähen. Und die Tatsache, dass sie als „Ingrate“, also als Undankbare, bezeichnet werden, wirft ein sehr bezeichnendes Licht auf das Selbstbewusstsein der Mantueser Männerwelt. Dankbar hatten die Damen also zu sein, dass sie überhaupt auserwählt wurden... schließlich waren die Männer der Oberschicht Mantuas ja nicht auf Frauen angewiesen...es ließen sich ja sicherlich auch noch ein paar Schafe auftreiben, wenn der Druck zu groß wurde. Da konnten sie sich schon etwas drauf einbilden, die Damen Mantuas, wenn ihnen der Herr Luigi erlaubte, ihm zwischen Lasagne und Espresso noch schnell den Super Mario zu kraulen... hach, ich merke schon, ich darf hier keinen Psychologen drüberlesen lassen, sonst kann ich schon mal meinen Pyjama packen gehen. Abgelehnt zu werden kratzt ganz schön am  Selbstbewusstsein. Ehrlich.

Kommen wir mal zurück zur Musik des Herrn Monteverdi und zur Handlung des Balletts, die im Übrigen recht schnell erzählt ist: Venus und ihr Sohn Cupido kauen Pluto, dem Herrn der Unterwelt, so lange ein Ohr ab, bis dieser die besagten Damen aus dem Hades an die Erdoberfläche holt, auf das alle Welt sehen kann, was passiert, wenn man, bzw. Frau,einem Freier einen Korb überreicht. Zu einem ergreifenden Duett der beiden Liebesgötter verlassen die Ladies also den Höllenschlund und fangen an, zu tanzen, während die Prinzessin von Savoyen zu ihrer cleveren Entscheidung, den kleinen Mantueser zu heiraten, beglückwünscht und das restliche Publikum vor Fehlentscheidungen gewarnt wird. Am Ende wissen wir alle, was uns blüht und die Tänzerinnen wandern wieder in den Hades zurück. Vermutlich haben ihnen ob des ungewohnten Sonnenlichts ohnehin die Augen gebrannt.
Und was geschieht nun mit dem Herrn Sagichnicht? Vermutlich ebenso wenig wie mit Theseus, der Ariadne an der Raststätte anband, Zigaretten holen ging und niemals wiederkehrte. Er wird nicht in der Hölle schmoren. Und Spinnweben stehen ihm vermutlich auch nicht besonders gut. In ein paar Jährchen wird er andere weiße Fäden in den Haaren haben und damit vermutlich noch besser aussehen als heute. Und ich habe mir in der Zwischenzeit hoffentlich ein Schiff gebaut und die unwirtliche Insel Naxos hinter mir gelassen, bin vielleicht die erste Frau, die die Strömung zwischen Skylla und Charybdis bezwungen hat oder auf der ewigen Suche nach Ithaka. Wer weiß. Nur eines bitte: Wenn ihr dem Sagichnicht begegnen solltet, verratet ihm nicht, dass ich ab und zu noch immer an ihn denken muss. In diesem Sinne: Schiff ahoi. Oder, wie der kleine italienische Streber sagen würde: „Ich habe fertig!“



Und bald, bald, bald gibt es auch wieder etwas zu hören... denn wie ihr seht, sind wir fleißig :)





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